BGH, Beschluss vom 11.12.2013 – Versorgungsausgleich, Aussetzung der Kürzung

Unterhaltsansprüche einer anderen als der im Versorgungsausgleich ausgleichberechtigten Person rechtfertigen keine Aussetzung der Kürzung der laufenden Versorgung.

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Urteil

Gericht        : BGH 
Datum           : 11.12.2013 
Aktenzeichen    : XII ZB 253/13 
Leitparagraph   : VersAusglG §27, VersAusglG §33 
Quelle          : www.bundesgerichtshof.de
Kommentiert von : RA Simon Heinzel

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Inhalt:

Der versorgungsausgleichsverpflichtete Ehemann (50 Jahre alt) ist im Vorruhestand, seine Ehefrau ist erst 30 Jahre alt und erhält noch lange keine Versorgungsbezüge. Für die gemeinsame Tochter bezahlt er Kindesunterhalt, Ehegattenunterhalt ist nicht geschuldet. Der Versorgungsausgleich greift nach der Scheidung, da das sogenannte Rentnerprivileg abgeschafft ist (nach diesem würde der bereits in Rente befindliche Ehemann seine Rente ohne die Kürzung des Versorgungsausgleichs bis zum Renteneintritt der Frau erhalten) und auch ein Unterhaltsprivileg nicht greift, weil lediglich Kindesunterhalt geschuldet ist und somit eine Aussetzung der Kürzung des Versorgungsausgleichs nicht greift. Der Ehemann begehrt den Versorgungsausgleich wegen grober Unbilligkeit (§ 27 VersAusglG) nur schuldrechtlich durchzuführen, also später, hilfsweise die Kürzung seiner laufenden Versorgung (analog § 33 VersAusglG) auszusetzen.

Der BGH führt aus, dass das Rentnerprivileg bewusst vom Gesetzgeber abgeschafft wurde. Ein Ausschluss des Versorgungsausgleichs nach § 27 VersAusglG kann nur bei grober Unbilligkeit ausgeurteilt werden. Eine solche grobe Unbilligkeit muss sich im Einzelfall aus einer Gesamtabwägung der wirtschaftlichen, sozialen und persönlichen Verhältnisse beider Ehegatten ergeben (BGH FamRZ 2013, Seite 690). Nur dann darf vom Halbteilungsgrundsatz abgewichen werden. Solches verlangt der Ehemann schon gar nicht, sondern verlangt die Durchführung des schuldrechtlichen Versorgungsausgleichs, der erst bei Renteneintritt der Frau greift. Somit greift der Ehemann letztendlich die Aufhebung des früheren Rentnerprivilegs an, nach der Rechtsprechung des BGH handelt es sich hierbei jedoch um eine grundsätzlich entschädigungslos hinzunehmende Gesetzesänderung und kann daher über § 27 VersAusglG nicht korrigiert werden. Auch kann eine Kürzung der laufenden Versorgung über § 33 VersAusglG nicht erfolgen, da eine solche Kürzung nur beim Unterhalt des Ausgleichsberechtigten des Versorgungsausgleichs möglich ist, somit beim Ehegattenunterhaltsanspruch und nicht beim Kindesunterhaltsanspruch. Es soll die Doppelbelastung durch Ehegattenunterhalt und Versorgungsausgleich vermieden werden und nicht die Belastung durch Kindesunterhalt kompensiert werden.

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>~PRAXISTIPP:

Ob in diesem Fall diese Entscheidung zum Anlass genommen wurde, die Frage der Verfassungswidrigkeit des neuen Versorgungsausgleichs zu prüfen, ist nicht bekannt. Wer sich scheiden lässt, muss sich jedenfalls derzeit bewusst sein, dass wenn der Versorgungsausgleichsverpflichtete älter ist als der andere, die Rentenkasse in der Zeit, in der der andere noch keine Rentenbezüge erhält, „verdient“, sodass auch über vertragliche Regelungen zum Versorgungsausgleich nachzudenken ist.