Kindesunterhalt nach Düsseldorfer Tabelle: Umverteilung von Haushaltseinkommen
Die Düsseldorfer Tabelle ist in mehrfacher Hinsicht aus dem Ruder gelaufen. Nach dieser Tabelle wird in der Regel der Kindesunterhalt verteilt. Dadurch soll der Bedarf des Kindes gedeckt werden. Sehr viele Unterhaltspflichtige aus der Mittelschicht kritisieren, die Unterhaltsbeträge sind zu hoch, decken nicht nur den Bedarf des Kindes, sondern sind Einkommen des Unterhaltsberechtigten. Über den Kindesunterhalt findet eine Umverteilung der Haushaltseinkommen statt.
„Einer zahlt, der andere betreut, Grundsatz im Residenzmodell, schafft Ungerechtigkeiten, nicht nur in den unteren drei Einkommensgruppen, sondern auch in den Einkommensgruppen der sogenannten `Besserverdienenden`. Bei der Festsetzung des Kindesunterhalts müssen die Haushaltseinkommen beider Trennungseltern verglichen werden“, fordert die ISUV-Vorsitzende Melanie Ulbrich.
Der folgende Fall eines „besserverdienenden“ Mitglieds ist typisch für andere. Dieses Beispiel veranschaulicht, wie auch vollbeschäftigte „Besserverdienende“ nach Abzug des Kindesunterhalts und aller notwendigen Kosten „rechnen“ müssen, insbesondere beim Umgang mit den Kindern.
Haushaltseinkommen des Unterhaltspflichtigen
„Ich gehöre zu den sogenannten „Besserverdienern“. Ich bekleide eine Führungsposition, arbeite Vollzeit und habe ein Nettoeinkommen von knapp 5.000 Euro. Da ich seit Februar 2022 meine eigene Immobilie bewohne, muss ich mir einen Wohnvorteil anrechnen lassen, der bei rd. 900,- Euro liegt. Somit wird mir ein fiktives Einkommen von 5.900 Euro unterstellt. Wenn dieses zugrunde gelegt wird, habe ich noch ein bereinigtes Netto von rd. 4.000 Euro, sodass ich unter die Stufe 7 der Düsseldorfer Tabelle falle. Nach Abzug aller notwendiger Kosten wie beispielsweise Krankenversicherung verbleiben mir 3.100 Euro. Davon geht dann der Kindesunterhalt jetzt 1.350 Euro ab, sodass ich noch 3.100 – 1350 = 1.750 Euro zur Verfügung habe. Davon gehen noch Energiekosten (Gas und Strom) sowie Telefon hoffentlich nicht mehr als 450 Euro ab. Es verbleiben mir noch 1300 Euro. Da ich meine Kinder mitbetreue, sie abholen und bringen muss, habe ich einen Kleinwagen geleast, das kostet mich im Monat 230 Euro Leasing- und Vollkaskokosten. Für den Lebensunterhalt verbleiben mir noch 1.070 Euro. Die Kosten für das Tanken – monatlich 846 km für Umgang - sind von meinem verbleibenden Einkommen noch abzuziehen.
In der Summe habe ich ein tägliches Budget von 36 Euro. Wenn die Kinder bei mir sind, ist dieses tägliche Budget nicht ausreichend. In den Sommerferien reicht es nicht, um mich und meine beiden Töchter davon verpflegen, geschweige denn verreisen zu können.“
Haushaltseinkommen der Unterhaltsberechtigten
„Meine Exfrau arbeitet 28 Stunden in der Woche und erwirtschaftet ein Nettogehalt von 2.000 Euro. Sie bekommt für beide Kinder 500,- Euro Kindergeld und von mir 1.350,- Euro Kindesunterhalt. Sie erzielt bei 28 Stunden Arbeitszeit pro Woche ein Nettoeinkommen von 2.000 + 500 + 1.350 = 3.850,- Euro. Davon gehen Kosten ab für Kredite 800,- Euro, Heizung, Strom 250 EURO, sonstige Kosten für Haus und Altersvorsorge. Meiner Frau verbleibleibt ein frei verfügbares Einkommen von 2400 EURO.
Davon gehen noch die Kosten für unsere gemeinsamen Kinder ab. Ich bin mir sicher, diese Kosten sind geringer als 1.850 Euro, die sie für die Kinder bekommt. Denn an 4 Tagen im Monat, was jährlich ca. 10 Wochen entspricht, sowie in weiteren 5 Wochen in den Ferien, was insgesamt 15 Wochen im Jahr ausmacht, verpflege ich unsere Kinder von meinem täglichen Budget von 36 Euro.“
Reform des Kindesunterhalts
„Wir sind der Auffassung, dass die Düsseldorfer Tabelle nicht einfach weiter fortgeschrieben werden kann. Wir fordern, die Grundstruktur jetzt zu überarbeiten. Das sollte im Zuge einer umfassenden Reform des Kindesunterhalts angegangen werden. Unabhängige Studien zum notwendigen Bedarf sind notwendig, europäische Vergleichszahlen, Transparenz ist notwendig für Unterhaltsberechtigte und Unterhaltspflichtige“, fordert die stellvertretende ISUV-Vorsitzende, Rechtsanwältin Maren Waruschewski.
Es besteht seitens der Politik die Hoffnung, dass sich seitens des Justizministeriums, seitens der Parteien und des Rechtsausschusses etwas bewegt. Dazu gibt das Statement vom 10.1.2023 von Katrin Helling-Plahr, rechtspolitische Sprecherin der FDP-Fraktion, Anlass: „Laut Koalitionsvertrag sollen im Unterhaltsrecht die Betreuungsanteile nach der Scheidung besser berücksichtigt werden, ohne das Existenzminimum des Kindes zu gefährden. Damit wollen wir vor allem Elternteile entlasten, die nach geltender Rechtslage trotz z.T. erheblichen Betreuungsanteilen einseitig den Barunterhalt schultern müssen.
Eine Reform muss aus meiner Sicht daher unbedingt zum Ziel haben, neben dem Wechselmodell auch die Mitbetreuung im Gesetz klar abzubilden, um Rechtssicherheit zu schaffen und Betreuungsmodelle zu fördern, die auf eine gleichberechtigte Elternverantwortung ausgerichtet sind. Hierzu sind klar definierte Rechenmodelle notwendig, die sich in der Praxis auch gut umsetzen lassen.“