Welche Auswirkungen hat die Corona-Krise auf elterliche Sorge und den Umgang?

Was möglich ist, wenn Eltern ihr an Corona erkranktes Kind nicht "richtig" behandeln...

Corona hält dieses Land fest im Griff und breitet sich als Problemlage aus dem medizinischen und gesundheitlichen Sektor immer weiter in den Bereich der Bürgerrechte aus, dann nämlich, wenn sich die Frage stellt, welche Maßnahmen zur Eindämmung von Corona angebracht, unerlässlich oder verhältnismäßig sind. Unverhältnismäßig, um nicht zu sagen, skandalös, ist das, was manche Gesundheitsämter inzwischen in Rundschreiben an Eltern verbreiten. Allen Ernstes sind bereits in drei Bundesländern Eltern von Kindern unter 13 Jahren angeschrieben worden, um ihnen aufzulisten wie sie mit ihren Kindern im Fall einer Quarantäne zu Hause in ihren eigenen vier Wänden zu verfahren hätten. Sollten die Eltern sich nicht daran halten, droht das Gesundheitsamt offen damit, dass die Kinder - wir reden hier auch über Kleinkinder - zwangsweise aus den Familien genommen werden können, um sie in einem Heim unter Quarantäne zu halten. Das sind offene Drohungen gegen Eltern von kranken Kindern. Die ersten Politiker melden sich zu Wort, der Gesundheitsminister ist in Deckung gegangen, die Familienministerin ist wohl beschäftigt, zurück bleiben Eltern, die offen eingeschüchtert werden.

Ich habe einen Beitrag zu der Thematik verfasst, den ich Ihnen auf den Weg und zum Teilen mitgebe. Weil dies Szenario gerade echt ist und nicht ein Teufel, den man an die Wand malt. Hätten wir bereits das, was die SPD und viele andere fordern, nämlich "Kinderrechte in die Verfassung", dann könnten die Gesundheitsämter jetzt tatsächlich durchgreifen und hätten gar die Verfassung auf ihrer Seite. Wenn sich also bislang der ein oder andere gefragt hat, was denn so schlecht an "Kinderrechten" sei und warum wir bei Frau 2000plus e.V. so vehement dagegen vorgehen, dann finden sie heute die Antwort: Weil wir verhindern wollen, dass man Ihnen die Kinder wegnehmen kann, nur weil Sie der Meinung sind, dass Sie Ihr krankes Kind lieber in den Arm nehmen, als es im Kinderzimmer in Isolationshaft zu halten, sollte es krank sein.

Quelle Birgit Kelle 21.8.2020

Coronakrise: mehr Inobhutnahmen – weniger Umgangskontakte

Ob bei Inobhutnahmen, ob bei Umgängen, insbesondere begleiteten Umgängen stellt ISUV, Interessenverband für Unterhalt und Familienrecht, einen Anstieg der Anfragen nach Rechtshilfe fest. Oft handelt es sich um Einschränkung, Absage oder Verweigerung des Umgangs. „Bei Inobhutnahmen rate ich dringend sofort einen Anwalt einzuschalten, so dass sich die Verhältnisse nicht ungeprüft verfestigen. Was den Umgang anbelangt, rate ich zu Nachhaltigkeit. Betroffene sollten alle Hebel in Bewegung setzen, verhandeln, auch das Jugendamt einschalten.  Eilanträge werden allerdings jetzt wohl ins Leere laufen, denn Gerichte arbeiten im Krisenmodus, Kanzleien haben auf Telefonbetrieb umgestellt“, gibt der ISUV-Vorsitzende, Rechtsanwalt Klaus Zimmer zu Bedenken.

Wegen der Coronakrise nehmen Jugendämter offenbar vermehrt Kinder und Jugendliche aus deren Familien. Manche dieser Inobhutnahmen sind berechtigt, manche sind zweifelhaft, sind Krisen-Angst und Krisen-Aktionismus geschuldet. Auch Umgangskontakte, insbesondere begleitete Umgangskontakte werden ausgesetzt. Ein Vater fragt: „Was kann ich dagegen machen, die zwei Stunden begleiteter Umgang sind schon zum dritten Mal abgesagt worden?“

Hintergrund begleiteter Umgang

Begleiteter Umgang wird immer dann angeordnet, um beispielsweise den Kontakt zwischen leiblichen Eltern und dem Kind nach einer Inobhutnahme oder hochstreitigen Trennung wieder aufzunehmen. Eine neutrale dritte Person „begleitet“ den Umgang zwischen den Eltern bzw. einem Elternteil mit dem Kind oder den Kindern. Diese dritte Person überwacht, kontrolliert und/oder motiviert, dass der Umgang dem Wohl des Kindes dient und der umgangsberechtigte Elternteil die Möglichkeit hat, mit dem Kind wieder einen Kontakt anzubahnen.

„Begleiteter Umgang heißt auch immer, dass ein Elternteil oder auch die Pflegeeltern den Umgang mit dem leiblichen Elternteil nicht wünschen, ihn behindern oder nach Möglichkeit gar verhindern. Die Coronakrise leistet diesem negativen Verhalten Vorschub, ja man kann die Verweigerungshaltung gar noch altruistisch als Fürsorge verbrämen“, stellt ISUV-Pressesprecher Josef Linsler fest. Auffallend ist, wo Umgang unterbunden wird, geschieht dies jeweils mit den nahezu gleichen Begründungen: Das Kind ist erkältet, hat Grippe, es besteht Ansteckungsgefahr, Vorsorge gegenüber den anderen Kindern im Haushalt/Gruppe, Erkrankung in der Familie, Krankheit des Begleiters, geschlossene Räumlichkeiten,… „All das ist nicht oder manchmal nur schwer nachweisbar, klingt fürsorglich, wird von Umgangselternteilen bestritten. Sie befürchten zurecht, wird der begleitete Umgang unterbrochen, so besteht gerade jetzt die Gefahr, dass die mühevoll aufgebaute meist fragile Beziehung zu Ende ist“, stellt Linsler fest.   

Besonnenheit – langer Atem – Exit-Strategie  

Laut Bundesverfassungsgericht ist das Umgangsrecht quasi ein Grundrecht von Kindern und Eltern. Es steht nicht im Belieben eines Elternteils oder der Pflegeeltern  den Umgang auszusetzen oder gar ganz zu verweigern, auch wenn dies in der Praxis oft gemacht wird. Es ist wichtig, dass betroffene Eltern diese grundsätzliche Rechtsposition kennen und auf dieser Grundlage besonnen, langfristig und nachhaltig ihre berechtigten Forderungen stellen. „Wer den Umgang mit seinem Kind, seinen Kindern durchsetzen und leben will, braucht meist einen langen Atem. Gerade jetzt sollte man auch schon eine Strategie für den Exit haben“, rät Linsler.

 Begleitete Umgangskontakte dürfen auch in der Coronakrise nicht einfach kurzfristig unbegründet abgesagt werden. ISUV rät, der Umgangselternteil sollte immer gleich auf schriftliche Absage, Begründung und einen Ersatztermin drängen. Keinesfalls sich einfach vertrösten lassen, Umgangskontakte müssen nachgeholt werden. Der Umgangselternteil sollte sich auch bemerkbar machen durch Briefe, Geschenke für das Kind, durch Anrufe bei Freunden und Verwandten. Ansprechpartner und manchmal auch Vermittler sind Jugendämter und der/die Umgangsbegleiter/in. Was immer auch gerade jetzt möglich ist, ein Telefonat, Videokontakt, skypen mit dem Kind – möglichst offen und unbeeinflusst vom Betreuungselternteil, den Pflegeeltern.   

Es gehört zu den Pflichten des Jugendamtes den Umgang wieder herzustellen. „Allerdings hilft nur Nachhaltigkeit des Umgangselternteils und Sachlichkeit, auch wenn das gerade jetzt aus verständlichen Gründen schwerfällt. Schließlich bleibt dann noch der langwierige Weg zum Familiengericht – mit oder ohne Anwalt, Ausgang ungewiss. Jetzt in der Krise stellen wir leider verstärkt fest, dass der Umgangselternteil vermehrt schnell resigniert und sich depressiv in die vier Wände zurückzieht“, stellt Linsler fest.

Josef Linsler | 16.04.2020

Anfrage des Bundestagsabgeordneten Daniel Föst (FDP) an das Familienministerium: Trotz Corona – Umgang mit beiden Eltern?

Daniel Föst: Was sind die Empfehlungen des Ministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend für getrenntlebende Eltern, um ihren Kindern trotz der schwierigen Situation aufgrund der Corona-Pandemie den Umgang mit beiden Eltern zu ermöglichen, und welche Unterstützungsmöglichkeiten sieht das Ministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend von Seiten des Staates?  

Antwort des Bundesfamilienministeriums

In Trennungsfamilien behält grundsätzlich die bisherige Umgangsvereinbarung oder gerichtliche Umgangsregelung weiterhin ihre Gültigkeit. Das Coronavirus allein ist kein Grund, einen Haushaltswechsel zu vermeiden. Grundsätzlich dient eine gute emotionale Bindung und der Kontakt zu beiden Eltern dem Kindeswohl. Dies ist von den Eltern zu berücksichtigen. Ob und wie die bisherige Praxis möglicherweise angepasst werden muss, müssen die Eltern im Einzelfall klären.

In ihre Überlegungen sollten Eltern die allgemeinen Empfehlungen einfließen lassen: kein Kontakt zu Personen, die sich kürzlich in Risikogebieten aufgehalten haben, Vermeidung von Kontakt zu Risikogruppen wie ältere Menschen und chronisch Kranke usw.

Sollte ein persönlicher Kontakt aus den vorgenannten Gründen zeitweise nicht möglich sein, sollten die Eltern, soweit der Situation und dem Alter des Kindes angemessen, andere Formen des Kontakts zum anderen Elternteil ermöglichen, z. B. über Audio- oder Videotelefonie.

Falls sich die Eltern nicht einigen können, hat das Familiengericht über Abweichungen von den bisherigen Umgangsregelungen zu entscheiden.

Bei all diesen Entscheidungen muss natürlich das Wohl des Kindes an erster Stelle stehen. Schutz und Wahrung des Kindeswohls obliegen grundsätzlich der elterlichen Erziehungsverantwortung. Professionelle Unterstützung bei der Wahrnehmung dieser Verantwortung bieten insbesondere Angebote der Erziehungsberatung. Dabei kommt in der gegenwärtigen Situation Online- oder Telefonberatungsangeboten eine besondere Bedeutung zu. Um niederschwellige Hilfsangebote schnell auszubauen, hat das Bundesfamilienministerium daher beispielsweise Onlineangebote wie die Jugend- und Elternberatung der Bundeskonferenz für Erziehungsberatung e. V. kurzfristig erweitert.

Diese finden Sie hier.

08.04.2020

Corona: Elterliche Sorge und Umgang

Die Corona-Krise ist eine bislang noch nicht dagewesene Herausforderung – auch für das Familienrecht. Weder der Gesetzgeber noch die Rechtsprechung haben nicht auf alle Fragen bereits Antworten. Die meisten Fragen von Betroffenen drehen sich um die Frage, ob Umgang ohne Weiteres wegen der Krise einfach abgesagt werden kann, auch wenn man die gemeinsame elterliche Sorge hat. 

Vorweg sei klargestellt:  Das Umgangsrecht ist ein eigenständiges Recht neben dem Sorgerecht. Es kommt also beim Umgangsrecht nicht darauf an, ob der andere nicht betreuende Elternteil auch Sorgerechtsinhaber ist oder nicht. Das Umgangsrecht gem. § 1684 BGB ist ein eigenständiges Elternrecht (selbiges gilt für Großeltern und Bezugspersonen Umgang gem. § 1685 BGB bzw. Umgang des biologischen Vaters gem. § 1686 a Abs. 1 Nr. 1 BGB). Einer Umgangsregelung ist schon immer immanent, dass Umgangskontakte dann entfallen, wenn die zwingenden Gründe entgegenstehen. Gibt es einen gerichtlichen Umgangsschluss oder eine vom Gericht gebilligte Einigungslösung, sind Fragen, ob zwingende Gründe vorlagen, im Rahmen der sogenannten Vollstreckung gem. § 89 FamFG zu klären.  

Wenn der umgangsverpflichtete Elternteil entschuldbar den Umgang nicht gewährt, unterbleibt eine Vollstreckung mit Ordnungsmittelfestsetzung. Der gleiche Maßstab ist grundsätzlich anzusetzen bei gerichtlich bislang nicht festgelegten Umgangszeiten. Hier muss dann der Umgangsberechtigte entscheiden, ob er entweder im Wege einer einstweiligen Anordnung oder im Wege eines Hauptsacheverfahrens bei Verweigerung des Umgangs Umgangsanträge bei Gericht stellt. Gerade jetzt in der Corona-Krise ist jedoch zu bedenken, dass die Gerichte derzeit im „Notbetrieb“ arbeiten. Bei Umgangsanträgen gilt zwar das Beschleunigungsgebot, das kann allerdings unter jetzigen Voraussetzungen nicht eingehalten werden.  

Ob unter Verweis auf die Corona-Krise ein Umgangskontakt ohne Verschulden entfallen kann und darf, beurteilt sich danach, in welchem Grad die jeweiligen Beteiligten von dieser Pandemie betroffen sind. Dabei sind folgende Szenarien zu unterscheiden: 

·         Nachgewiesene Corona-Erkrankung des Kindes:  

Auch ein zum Umgang berechtigter Elternteil kann sein krankes Kind wie der hauptsächlich betreuende Elternteil versorgen und pflegen, weshalb grundsätzlich nur bei – durch ärztliches Attest zu belegender – Transportunfähigkeit des Kindes kein Verschulden im Sinne des § 89 Abs. 4 FamFG festzustellen ist. Es wird jedoch davon auszugehen sein, dass bei nachgewiesener Corona-Erkrankung des Kindes das Risiko der Übertragung so hoch ist, dass die Verweigerung des Umgangs auch in diesen Fällen der richtige Weg ist und somit der an sich umgangsverpflichtete Elternteil den Ausfall des betreffenden Umgangs nicht zu vertreten hat. Dies gilt im Besonderen gegenüber den Großeltern.  

Ist einer der Elternteile oder eine weitere umgangsberechtigte Person nachweislich erkrankt, gilt natürlich Entsprechendes.  

·         Quarantäneanordnung gem. § 30 Abs. 1 Infektionsschutzgesetz:  

Die Anordnung einer häuslichen Quarantäne durch Gesundheitsämter führt zweifelsfrei dazu, dass der Umgang auszusetzen ist. Dies gilt, wenn die Anordnung gegenüber dem Umgangselternteil oder dem Kind getroffen worden ist. Selbiges gilt auch für den Fall der Quarantäneanordnung gegenüber dem an sich normalerweise betreuenden Elternteil.  

·         Freiwillige Quarantäne:  

Problematisch sind immer die Fälle, in denen sich Beteiligte des Umgangsrechtsverhältnisses unter Verweis auf Corona in freiwillige Quarantäne begeben. Grundsätzlich ist eine solche Selbstrestriktion als Akt besonderer Verantwortung zu respektieren. Für eine Entlastung des normalerweise betreuenden Elternteils muss man wohl verlangen, dass es hinreichende objektive Gründe für den häuslichen Rückzug gibt. Dazu gehören sicherlich Fälle, in denen der Umgangsberechtigte aus einem besonders betroffenen Gebiet in Deutschland oder in Europa oder auch der Welt zurückgekehrt ist oder der Umgangsberechtigte in einem Kontaktverhältnis zu einer infizierten Person gestanden hat. Ob insoweit andere Risikofaktoren ebenso ausreichen, wird sich zeigen. So gibt es Fälle, in denen der Umgangsberechtigte z. B. in einem systemrelevanten Beruf arbeitet, z. B. im Krankenhaus als Arzt oder Arzthelfer etc., und somit berechtigterweise schon ein erhöhtes Risiko anzunehmen ist. Auch wenn der normal betreuende Elternteil sich im Homeoffice befindet und letztendlich nur für die notwendigen Besorgungen nach außen geht, aber der andere Elternteil noch im Kundenkontakt oder im Mitarbeiterkontakt steht, könnte auch dies zu einer solchen Risikoeinschätzung führen. 

Das ist jedoch wie gesagt dann Aufgabe der Gerichte dies ggf. nach Überwinden der Krise einzuschätzen. So liest man derzeit häufig folgende Hinweise:  

„Anlässlich der derzeit durch das Corona-Virus bestehenden Situation wird des Weiteren darauf hingewiesen, dass vereinbarte Umgangskontakte in diesem Zusammenhang nur aufgrund eines konkret bestehenden Risikos, nicht aber allein aufgrund der derzeit allgemein bestehenden Infektionsgefahr ausgesetzt werden dürfen.“  

Die Frage ist, wann liegt ein „konkretes Risiko“ vor, was dann im Einzelfall zu klären ist., was dann erst geklärt wird, wenn die Gerichte nicht mehr im Notbetrieb, sondern im Normalbetrieb arbeiten.  

·         Ausgangssperre:  

Eine Ausgangssperre haben wir derzeit noch nicht. Sollte eine Ausgangssperre verhängt werden, ist die Durchführung von Umgangskontakten schlichtweg nicht mehr möglich und eine Umgangsregelung für die Dauer eine solcher Anordnung nicht mehr vollstreckbar.  

In einer solchen Situation, wie wir sie jetzt haben, sollten pragmatische Lösungen gefunden werden und nicht die Gerichte bemüht werden. Der Ausgang solcher Verfahren ist ohnehin offen. So gibt es auch Fälle, in denen eben die Betreuungssituation der Kinder schwierig ist und möglicherweise sogar sinnvollerweise die Ausweitung eines Umgangs anzudenken wäre, um eben den beteiligten Eltern noch eine gewisse Arbeitsleistung zu ermöglichen. Dazu ist immer Elternkonsens notwendig. Auch im Bereich des Familienrechtes wird man daher das Wort „Solidarität“ in diesen Zeiten verstärkt einfordern. Ob der Gang zum Gericht in der Krise der richtige Weg ist, muss bezweifelt werden.   

Rechtsanwalt Simon-Peter Heinzel, Fachanwalt für Familienrecht | 07.04.2020

Corona-Krise: Umgangsrecht kann nur bei „konkret bestehendem Risiko“ ausgesetzt werden

Der Interessenverband Unterhalt und Familienrecht (ISUV) stellt auf Grund einer Flut von Anfragen in den letzten 10 Tagen fest: Mehrfach wird die Coronakrise dazu benutzt um den Umgang eigenmächtig zu bestimmen, auszusetzen oder ganz offensichtlich auch zu verweigern.  „In der gegenwärtigen Krise muss die Gesundheit des Kindes und die beider Eltern im Mittelpunkt stehen. Umgangskontakte müssen nur dann entfallen, wenn krankheitsbedingte Gründe dem entgegenstehen. Das Familienrecht geht davon aus - ob in der Krise oder im ganz normalen Alltag - jeder Umgangskontakt mit einem Elternteil steht im Interesse des Kindswohls.  Gerade in der Krise ist der Umgang mit Mutter und Vater vorrangig“, hebt der ISUV-Vorsitzende Klaus Zimmer hervor.  

„Jetzt in der Krise ist es wichtig, dass wir die Bedeutung des Umgangsrechts hochhalten“, betont Zimmer. Der primäre Zweck des Umgangs besteht gemäß langjähriger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts darin, dass der umgangsberechtigte Elternteil sich von den körperlichen und geistigen Befinden des Kindes und seiner Entwicklung fortlaufend persönlich überzeugen kann, die Beziehungen zum Kind aufrechterhalten und einer Entfremdung vorbeugen kann. Zudem ist dem gegenseitigen Liebesbedürfnis von Kind und Umgangselternteil Rechnung zu tragen.  „Gerade jetzt in der Krise, in der Zeit von Kontaktsperre, wo viele Umgangselternteile auf die Wohnung, nicht selten allein, eingegrenzt sind, tut jede Umgangseinschränkung richtig weh“, berichtet ISUV-Pressesprecher Josef Linsler.  

Juristisch hat der Umgangselternteil eine starke Position, die allerdings oft nur auf dem Papier steht. Laut Zimmer gilt gegenwärtig familienrechtlich bei gemeinsamer elterlicher Sorge daran zu erinnern: „Der Umgangselternteil kann sein krankes Kind ebenso versorgen und pflegen wie der Obhutselternteil. Umgang ist nur ausgeschlossen bei Transport-Unfähigkeit des Kindes.“

Zu berücksichtigen ist aber speziell beim Coronavirus, dass er leicht übertragbar ist, zu schweren Erkrankungen führt und es noch keine Arzneimittel dagegen gibt. „Dies gilt es insbesondere gegenüber den Großeltern zu berücksichtigen, die durch Coronainfektion besonders gefährdet sind. Sie fallen daher für die Betreuung aus. Umso mehr ist gerade jetzt der Umgangselternteil gefordert“, hebt ISUV-Pressesprecher Josef Linsler hervor.

Kitas, Kindergärten, Schulen, Betreuungseinrichtungen sind geschlossen. Durch die Coronakrise ergibt sich ein zusätzlicher Betreuungsbedarf, der schnell gedeckt werden muss. Daher ist es naheliegend und praktisch, dass der Umgangselternteil entsprechend in die zusätzliche Betreuung eingebunden wird. „Erfreulicherweise machen das jetzt mehrfach Trennungseltern aus rein pragmatischen Gründen. So wird in der Krise vielfach notgedrungen ´Getrennt, aber gemeinsam Erziehen´ praktiziert, was wir als Normalfall fordern“, kommentiert Linsler.

Homeoffice von beiden Elternteilen funktioniert nur effektiv, wenn beide sich bei der Betreuung abwechseln. Gehört ein Elternteil zu den „Helden des Corona-Alltags“ und muss arbeiten, der andere dagegen muss zu Hause bleiben, weil die Firma wegen Corona geschlossen ist, so ist es praktisch naheliegend, dass er die Betreuung übernimmt.

Problematisch ist in der Krise jetzt, wenn der Obhutselternteil das Kind einseitig von sich aus in häusliche Quarantäne stellen will. „Diese Restriktion ist eine Angelegenheit von erheblicher Bedeutung für das Kind. Bei gemeinsamer elterlicher Sorge kann dies nicht ein Elternteil allein entscheiden. Wird dies dennoch von einem Elternteil gemacht, so ist das rechtlich nicht abgesichert“, stellt Fachanwalt für Familienrecht Klaus Zimmer klar. Voraussetzung für eine derart einschneidende Maßnahme, müssten nachweisbare schwerwiegende Gründe sein, wie beispielsweise der begründete Verdacht einer Infektion des Kindes nach dem Besuch eines Kindergartens, der von kranken Kindern zuvor besucht wurde oder die Rückkehr aus einem Corona-Krisengebiet. Problematisch sei, wenn sich ein Elternteil in freiwillige Selbstquarantäne begebe. „Dies kann zwar Ausdruck einer besonderen Verantwortung sein, aber es ist auch denkbar, dass dadurch Umgang vereitelt werden soll.“ (Zimmer)

Was aber tun, wenn der Umgang ausgesetzt oder vereitelt wird?- Einheitlich lehnen mehrere ISUV-Kontaktanwälte Gerichtsverfahren jetzt zum Erstreiten des Umgangs ab. Es bestehe zwar ein Beschleunigungsgebot, d. h. derartige Anträge müssen schnell behandelt werden. Unter den gegebenen Voraussetzungen sei dies aber unrealistisch, weil die Gerichte im Krisenmodus arbeiten. „Wir raten betroffenen Eltern einen Ersatztermin zu vereinbaren, möglicherweise mit Unterstützung des Jugendamtes. Telefonieren, Skypen, eine Videobotschaft senden ist immer möglich, wenn man will. Wenn der Obhutselternteil jegliche Kontakte jetzt vereitelt, den Umgang unterbindet, so schadet er sich damit auch selbst, denn er demonstriert mit diesem Handeln seine Erziehungsunfähigkeit“, betont Pressesprecher Josef Linsler. 

Josef Linsler | 07.04.2020