Unterhaltsrecht - BGH - 09.07.2014

 

Bei der Bemessung des Unterhalts kann der Tatrichter zur Ermittlung des Kaufkraftunterschieds die vom Statistischen Amt der Europäischen Union (Eurostat) ermittelten „vergleichenden Preisniveaus des Endverbrauchs der privaten Haushalte einschließlich indirekter Steuern“ heranziehen.

Beschluss:
Gericht: BGH
Datum: 09.07.2014
Aktenzeichen: XII ZB 661/12
Leitparagraph: BGB §1602, BGB §1603, BGB §1610
Quelle: www.bundesherichtshof.de

Kommentierung:

Die Beteiligen streiten um die Höhe des Kindesunterhaltes, insbesondere über die Höhe des zugrunde zulegenden unterhaltsrechtliche relevanten Einkommens, da der Unterhaltsschuldner in der Schweiz lebt und möglicherweise die Kaufkraft des Einkommens in der Schweiz anders ist als in Deutschland, wo die unterhaltsberechtigten Kinder leben. Der Unterhaltsschuldner wendet ein, dass eine sogenannte Kaufkraftbereinigung vorzunehmen ist, weil die Lebenshaltungskosten in der Schweiz im Vergleich zu denen in Deutschland höher seien. Nach Vortrag des Unterhaltsschuldners sei der Kaufkraftunterschied nach den vom Statistischen Amt der Europäischen Union ermittelten „vergleichenden Preisniveaus des Endverbrauchs der privaten Haushalte einschließlich indirekter Steuern“ zu ermitteln, dies sei ein Verhältnis 1:0,707 bzw. 1:0,639.

Der BGH hat die Umrechnung der Schweizer Franken auf dieser Basis gebilligt, da die sogenannte Ländergruppeneinteilung der Steuerverwaltung kein differenziertes Kriterium ist, denn da würden beide Länder in der Gruppe 1 eingestuft, sodass eine differenzierte Betrachtung notwendig ist. Nachdem das Statistische Bundesamt die Veröffentlichung der Daten zur Kaufkraft des Euros eingestellt hat, können auch diese nicht mehr zur Kaufkraftanpassung angewandt werden. Der BGH billigt daher, das vom Statistischen Amt der Europäischen Union (Eurostat) veröffentlichte Zahlenwerk. Weiterhin bestätigt der BGH, dass entgegen des OLG Brandenburg (FamRZ 2008, Seite 1279) nicht die Unterhaltssätze der Düsseldorfer Tabelle danach anzupassen sind, sondern die Kaufkraftbereinigung hat bereits bei der Ermittlung des unterhaltsrechtlich relevanten Einkommens einzusetzen (siehe hierzu auch OLG Stuttgart, FamRZ 2014, Seite 850 ff.).

In der Entscheidung hat der BGH neben der Frage der Anpassung des Kaufpreisniveaus nochmals ausdrücklich festgehalten, dass die Düsseldorfer Tabelle und deren Anmerkungen kein Gesetz seien, sondern Hilfsmittel für die Unterhaltsbemessung. Das OLG hatte nämlich trotz 3er Unterhaltspflichten eine Herabstufung in der Tabelle nicht vorgenommen, weil das um das kaufkraftbereinigte Einkommen des Unterhaltsverpflichteten erheblich über der unteren Grenze der zu berücksichtigenden Einkommensgruppe lag und somit das OLG eine nochmalige Herabstufung nicht für geboten erachtet hat. Der BGH hat festgehalten, dass diese Korrektur mit Herauf-/Herabstufung im tatrichterlichen Ermessen liegt und die Begründung des Oberlandesgerichts keinen Ermessensfehler erkennen lässt.

Damit hat der BGH klargestellt, welches Instrumentarium für den Kaufkraftunterschied zumindest in Europa zu verwenden ist und dass der Kaufkraftunterschied bereits bei der Bemessung des unterhaltsrechtlich relevanten Einkommens zu berücksichtigen ist.