Scheidungsrecht - LG Berlin - 5.6.2014
1. Ein Anwalt muss bei einer sogenannten „Online-Scheidung“, die auf Basis online zur Verfügung gestellter Formulare kommuniziert wird, trotzdem bei erkennbarem Beratungsbedarf nach jeder Richtung umfassend den Mandanten aufklären.
2. Gibt der Mandant in einem im Internet zur Vorbereitung von Ehescheidungsverfahren bereitgestellten Formular an, auf Versorgungsausgleich und Ehegattenunterhalt verzichten zu wollen, muss der Rechtsanwalt ermitteln, inwieweit ggf. hinsichtlich der gewollten Verzichte Beratungsbedarf besteht.
Beschluss:
Gericht: LG Berlin
Datum: 05.06.2014
Aktenzeichen: 14 O 395/13
Leitparagraph: FamFG §§ 61,117
Quelle: NZFam 2014, Seite 864
Kommentierung:
In dem Verfahren war eine Anwaltskanzlei verklagt, die im Internet unter der Überschrift „Scheidung Online“ damit geworben hat, dass eine bundesweite Ehescheidung ohne Anwaltsbesuch zu den geringstmöglichen Kosten von Fachanwälten durchgeführt werden kann. Hierzu wurden Scheidungsformulare zum downloaden angeboten. Die Klägerin hat das Onlineangebot genutzt, im Scheidungstermin wurde ein Vergleich geschlossen in welchem auf die Durchführung des Versorgungsausgleichs sowie auf nachehelichen Unterhalt verzichtet wird. Später hat die Klägerin erkannt, dass die Verzichte für sie nachteilig sind und ist der Auffassung, die Onlinekanzlei hätte vom Vergleichsschluss abraten müssen, da sie nur über geringe Einkünfte verfüge und ihre Tochter betreuen müsse. Zudem hätte die Anwaltskanzlei zur Titulierung des Unterhalts der Tochter anraten müssen. Das LG Berlin gibt der Klägerin hinsichtlich der eigenen Ansprüche Recht, wegen der Informationspflicht zur Titulierung des Kindesunterhaltes nicht.
Die Entscheidung macht deutlich, dass eine Online-Scheidung und die Online-Rechtsberatung für einen Rechtsanwalt mit erheblichen Haftungsrisiken verbunden sind. Auf der anderen Seite wird auch deutlich, dass eben über Fernkommunikationsmittel, insbesondere über Internet und Internetformulare eine umfassende Beratung nicht möglich ist und dazu führen kann, dass wichtige Aspekte übersehen werden. Mit deutlichen Worten hat das Gericht klargestellt, dass ein Rechtsanwalt pflichtwidrig handelt, der kein persönliches Beratungsgespräch mit dem Mandanten führt, sondern lediglich mittels ausgefüllter Formulare und telefonisch mit diesem kommuniziert. Eine Beratung muss über Vor- und Nachteile eines Vergleichsschlusses geführt werden und der Mandant insoweit belehrt werden. Im vorliegenden Fall hätte der Anwalt insbesondere die Nachteilhaftigkeit eines Vergleichsschlusses deutlich hervorheben müssen (BGH, NJW 2010, Seite 1357).
Mit der Werbung für eine schnelle und günstige Online-Scheidung begibt sich ein Rechtsanwalt auf dünnes Eis. Jedoch ebenso der Mandant selbst, da natürlich nicht in alle Richtungen ein Anwalt zu beraten hat. Insoweit hat das Kammergericht Berlin dem weiteren Antrag wegen der Nichttitulierung des Kindesunterhaltes nicht stattgegeben, da der Anwaltsvertrag nur auf die Scheidung gerichtet war und nicht auf die Durchsetzung von Kindesunterhalt, sodass kein Anlass bestand, auch noch in diese Richtung beim Mandanten „hinterherzufragen“. Durch eine Online-Scheidung darf die Qualität der Beratungsleistung eines Rechtsanwaltes nicht leiden, nach Auffassung des Verfassers ist dies jedoch mit einer Online-Scheidung niemals gewährleistet und im Hinblick auf die Risiken sowohl des Rechtsanwaltes als auch des Mandanten nicht zu empfehlen.