BGH, Beschluss vom 27.6.2013 – Versorgungsausgleich

Die Aussetzung der Kürzung des Versorgungsausgleichs wegen Unterhalt hat nicht zur Voraussetzung, dass die Unterhaltsbelastung für den Ausgleichspflichtigen ohne die Anpassung eine unzumutbare Härte darstellt. 

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Urteil

Gericht         : BGH
Datum           : 27.06.2013
Aktenzeichen    : XII ZB 91/13
Leitparagraph   : VersAusglG §33
Quelle          : www.bundesgerichtshof.de
Kommentiert von : RA Simon Heinzel

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Inhalt

Beide Entscheidungen befassen sich mit § 33 VersAusglG. Gemäß § 33 VersAusglG wird die Kürzung der laufenden Rentenversorgung der versorgungsausgleichspflichtigen Person (die bereits Rentenleistungen erhält) auf Antrag in Höhe des Unterhaltsanspruchs ausgesetzt, solange die versorgungsausgleichsberechtigte Person aus einem im Versorgungsausgleich bei Scheidung erworbenen Rentenanrecht keine laufende Versorgung erhält (weil sie noch nicht in Rente ist) und gleichzeitig gegen die versorgungsausgleichsverpflichtete Person ohne die Kürzung durch den Versorgungsausgleich einen gesetzlichen Unterhaltsanspruch hätte. Diese Regelung hat das vormalige Unterhaltsprivileg gemäß § 5 VAHRG abgelöst und auch eingeschränkt. Beschränkt wird die Aussetzung der Rentenkürung auf die Höhe des gesetzlichen Unterhaltsanspruchs, den der geschiedene Ehegatte bei ungekürzter Rentenversorgung gegen den anderen Ehegatten hätte. Dadurch wird die Gefahr von Manipulationen durch Zusammenwirken der Eheleute begegnet, die ggf. einen fiktiven Unterhalt behaupten würden, um eine möglichst hohe Aussetzung der Kürzung zu erhalten. Demnach muss grundsätzlich der sogenannte gesetzliche Unterhaltsanspruch ermittelt werden, ggf. auch der tatsächlich geringere bezahlte Unterhaltsbetrag. Zum alten § 5 VAHRG hatte der BGH entschieden, dass auch eine Unterhaltsabfindung zum sogenannten Unterhaltsprivileg führt. Ob dies beim § 33 VersAusglG auch so ist, ist umstritten (bejahend: Palandt/Brudermüller BGB, 72. Auflage, § 33 VersAusglG, Rdn. 3 u. a.~ verneinend: Kammergericht Berlin, Beschluss vom 24.10.2012, Az. 25 UF 50/12~ Gutdeutsch in Handbuch des Fachanwalts Familienrecht, 9. Auflage, Kapitel 7 Rdn. 324 u. a.).

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Für den BGH ist es entscheidend, ob eine Doppelbelastung durch Versorgungskürzung und Unterhaltsbelastung vorliegt (BGH, FamRZ 2013, S. 189). Der Unterschied zwischen § 5 VAHRG und § 33 VersAusglG ist, dass früher, egal in welcher Höhe Unterhalt geschuldet wurde, dann die Versorgung insgesamt ungekürzt dem Unterhaltspflichtigen verblieben ist, nach jetziger Rechtslage die Aussetzung der Kürzung der Versorgung von der Höhe des tatsächlich geschuldeten Unterhalts abhängt. Eine Abfindung kann daher nur zur Aussetzung der Kürzung führen, wenn die Abfindung in bestimmter Höhe auf einzelne Unterhaltsmonate umgerechnet werden kann (so auch Borth, Versorgungsausgleich, 6. Auflage, Rdn. 965). Nachdem bei dem hier vorliegenden Vergleich nicht zwischen Zugewinn und Unterhalt unterschieden wurde, ist noch nicht einmal bestimmbar, welcher Betrag der Abfindung auf Unterhalt entfällt, sodass über die Frage, ob und wenn ja, welcher Umlegungsmaßstab anzulegen wäre, nicht zu entscheiden war.

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>~PRAXISTIPP:

Wenn aktuell oder ggf. in der Zukunft eine Aussetzung der Kürzung beabsichtigt ist oder möglich erscheint, ist dringend anzuraten, bei einer Abfindungsregelung zumindest den „Unterhaltsteil“ zu bestimmen und ggf. im Vergleich einen Umlagemaßstab auf einen Unterhaltszeitraum festzuhalten.

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Bei der zweiten Entscheidung hatte der BGH darüber zu befinden, ob ein vertraglich vereinbarten Unterhalt in Höhe von 1000 Euro monatlich zu einer Aussetzung der Kürzung des Versorgungsausgleichs führt, wenn der Unterhaltspflichtige bereits im Rentenalter ist, als Arzt weiterhin monatlich 10.000 Euro verdient, daneben aus der Ärzteversorgung bereits Zahlungen erhält und eigentlich sogar höherer Unterhalt geschuldet sein könnte und daher mit der Zahlung von 1000 Euro er schon „gut bedient“ ist und die Unterhaltsbelastung für ihn daher keine unzumutbare Härte darstellt. Hier hat der BGH entschieden, dass die Aussetzung der Kürzung nur darauf abstellt, ob ein gesetzlicher Unterhaltsanspruch besteht. Dieser gesetzliche Unterhaltsanspruch wurde bestätigt, die monatlichen 1000 Euro sind, auch wenn sie vertraglich festgelegt wurden, in jedem Fall auch gesetzlich geschuldet (wenn nicht sogar mehr). Wenn diese Voraussetzungen vorliegen, besteht der Anspruch auf Aussetzung der Kürzung in Höhe von 1000 Euro, völlig unabhängig davon, ob der Unterhaltsverpflichtete durch die Unterhaltszahlung unzumutbar belastet ist oder nicht. Es reicht, dass die Doppelbelastung zwischen Versorgungskürzung und Unterhaltsbelastung objektiv vorliegt und dies für sich allein nach der Intention des Gesetzgebers „als Härte“ eingestuft wird. Subjektive Elemente, wie stark dies jemanden „trifft“, sind unbeachtlich, auch sind keine Zumutbarkeitserwägungen anzustellen, ob für den Versorgungsträger (hier die Ärzteversorgung) eine unzumutbare Belastung vorliegt, im Verhältnis zum Unterhaltspflichten. Derartige Abwägungskriterien entsprechen nicht der Intention des Gesetzgebers.

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Die Darstellung der beiden Entscheidungen zu § 33 VersAusglG soll darauf aufmerksam machen, dass es weiterhin ein abgeschwächtes sogenanntes Unterhaltsprivileg gibt, welches auf Antrag zu einer Aussetzung der Kürzung der Rentenanwartschaften durch den Versorgungsausgleich aufgrund Ehescheidung führen kann. Es muss jedoch einen gesetzlichen Unterhaltsanspruch des Versorgungsausgleichsberechtigten geben, der auch mathematisch feststellbar ist und objektiv eine Doppelbelastung durch Unterhaltszahlung und Versorgungsausgleich beim Unterhaltspflichtigen darstellt.