Aktuelle höchstrichterliche Entscheidung zur Absetzbarkeit von Scheidungskosten - BFH - 18.06.2015

 

1. Die Kosten eines Zivilprozesses sind im Allgemeinen keine außergewöhnlichen Belastungen i.S.d. § 33 EStG (Änderung der Rechtsprechung des BFH)

2. Etwas anderes kann ausnahmsweise gelten, wenn ein Rechtstreit einen für den Steuerpflichtigen existenziell wichtigen Bereich oder den Kernbereich des menschlichen Lebens berührt.

Beschluss:
Gericht: BFH
Datum: 18.06.2015
Aktenzeichen: VI R 17/14~ § 33 EStG
Quelle: NZFam 2015, Seite 934

Kommentierung:

In einem Erbrechtsstreit – die Grundsätze sind jedoch auch für familienrechtliche Streitigkeiten zu übernehmen – wollte der Kläger seine ihm entstandenen Anwalts- und Gerichtskosten im Veranlagungszeitraum 2010 als außergewöhnliche Belastungen absetzen. Insoweit hat sich der Kläger auf das Urteil des Bundesfinanzhofes vom 12.05.2011 – Az. VI R 42/10 berufen (NJW 2011, S. 3055), wonach sämtliche Zivilprozesskosten als abzugsfähig anerkannt wurden. Im Jahr 2011 hat der BFH entschieden, dass privat veranlasste Zivilprozesskosten abzugsfähig sind, wenn eine Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bot und nicht mutwillig erschien. Der BFH hat nunmehr seine Rechtsprechung aus dem Jahr 2011 aufgegeben und ist zu seiner alten früheren Rechtsprechung zurückgekehrt, wonach derartige Kosten nur dann als außergewöhnliche Belastungen zu behandeln sind, wenn sie den existenziell wichtigen Bereich / Kernbereich des menschlichen Lebens berühren.

Diese neue Rechtsprechung des BFH hat auch auf die Anerkennung von Kosten eines Scheidungsverfahrens und der Folgesachen Auswirkungen. Danach sind Scheidungskosten nur dann absetzbar, wenn der Gerichtsprozess der einzige mögliche Weg war. Das gilt nur für die Scheidung und die Folgesache Versorgungsausgleich, für alle anderen Folgesachen besteht kein sogenannter Zwangsverbund – derartige Dinge können die Leute auch ohne Gericht regeln, wie z. B. Unterhalt, Zugewinn etc. – sodass keine Zwangsläufigkeit vorliegt. Dies hat zu Folge dass letztendlich nur die Kosten für die Scheidung selbst und den Versorgungsausgleich absetzungsfähig sind.

Diese Entscheidung erfolgte für einen Zeitraum vor dem 01.01.2013. Zum 01.07.2013 hat sich die Gesetzeslage ohnehin geändert, wonach Zivilprozesskosten nur abzugsfähig sind, wenn es sich um Aufwendungen handelt, ohne die der Steuerpflichtige Gefahr liefe, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse nicht mehr befriedigen zu können. Für Veranlagungszeiträume ab 2013 bzw. ab 01.07.2013 stellt sich daher die Frage, ob zumindest die nunmehr korrigierte alte Rechtsprechung anzuwenden ist (so FG Münster Az. 4 K 1829/14E, Revision anhängig beim BFH, Az. VI R 81/14 oder FG Rheinland-Pfalz Az. 4 K 1976/14, Revision anhängig beim BFH Az. VI R 66/14) oder überhaupt keine Absetzungsmöglichkeit besteht weil die Voraussetzungen Existenzgrundlage / lebensnotwendige Bedürfnisse auch für die Kosten einer Scheidung / Versorgungsausgleich diese zu meist nicht tangieren (FG Niedersachsen Az. 3 K 297/14, Revision anhängig beim BFH Az. VI R 19/15).

Einzelheiten hierzu finden Sie im ISUV Report Nr. 144 Seite 15 bzw. ISUV-Merkblatt Nr. 52. Aufgrund der jetzigen Entscheidung des BFH wird man weiterhin anzuraten haben den Steuerabzug beim Finanzamt für Veranlagungszeiträume ab 2013 bzw. ab 01.07.2013 zu beantragen. Dies gilt aber wohl nur noch für die Kosten von Scheidung / Versorgungsausgleich. Auch für Veranlagungszeiträume vor 2013 bzw. bis 30.06.2013 wird man außergewöhnliche Belastungen nur noch für die Kosten der Scheidung / Versorgungsausgleich geltend machen können. Nachdem jedoch der BFH jetzt wieder eine Kehrtwendung gemacht hat kann nicht vorausgesagt werden ob andere Gerichte – ggf. ein anderer Senat des BFH – die ganze Sache wieder anders sieht. Auch der Gesetzgeber hat sich diesbezüglich in den letzten Jahren mehrfach „verändert“. Es bleibt dabei, die Absetzbarkeit von Scheidungskosten und deren Folgesachen bleibt eine „never ending story“ (siehe Report Nr. 144 Seite 15).