Trennungsfamilie ermöglichen: Regional individuelle Wohnkosten berücksichtigen
Der notwendige Eigenbedarf – der Selbstbehalt - wurde am 1. Januar 2023 auf 1370 € für erwerbstätige Unterhaltspflichtige erhöht. Davon muss Hans P. 760 EURO für seine warme 1-Zimmerwohnung in Stuttgart aufwenden. Zum Leben bleiben dann 610 EURO, das reicht rundum nicht, insbesondere für die Betreuung der Kinder nicht.
Die Wohnkosten der Unterhaltspflichtigen werden in der Praxis viel zu wenig beachtet. Die im Selbstbehalt enthaltene Wohnkostenpauschale ist von 420 auf 520 EURO angehoben worden. Das reicht aber nicht für eine angemessene Wohnung, geschweige denn, wenn darin Betreuung mit Kindern stattfinden soll. ISUV - Verband für Unterhalt und Familienrecht - kritisiert dies schon seit Jahren. Geändert hat sich nichts.
„Die im Selbstbehalt der Düsseldorfer Tabelle vorgegebene einheitliche Wohnkostenpauschale ist unrealistisch, und das nicht nur in den Großstädten. Wir fordern eine regionale Anpassung der Wohnkosten. Mir liegt daran, dass die Wohnung entsprechend groß ist und darin Kinder betreut werden können“, fordert die ISUV-Vorsitzende Melanie Ulbrich.
Angemessene Wohnung
Die ISUV-Vorsitzende ist sich bewusst: „Was angemessen ist und was nicht, dazu bedarf es wohl teilweise einer Einzelfallprüfung.“ Als Kriterien für eine „angemessene Wohnung“ nannte Ulbrich die Ausrichtung am sozialen Wohnungsbau sowie den regionalen Mietspiegel. „Erwerbstätige Unterhaltspflichtige müssen sich zumindest eine entsprechend angemessene Wohnung leisten können, wie sie nicht erwerbstätige Bürgergeldempfänger vom Staat zur Verfügung gestellt bekommen“, hebt Ulbrich hervor.
Größere Wohnung bei Betreuung der Kinder
Voraussetzung für einen regelmäßigen und ausgeweiteten Umgang, für gemeinsame Elternschaft trotz Scheidung ist eine angemessen große Wohnung. „Dieser wichtige Aspekt wird bisher beim Selbstbehalt überhaupt nicht berücksichtigt“, kritisiert Ulbrich. Wenn man gemeinsame elterliche Sorge und Umgang ernstnehme und ausweiten will, müssen Unterhaltspflichtige mit Kindern entsprechend höhere Wohnkosten berücksichtigen und geltend machen können. „Grundsätzlich muss berücksichtigt werden, ob die oder der Unterhaltspflichtige regelmäßig Kinder betreut. Die realistische und individuelle Berücksichtigung der Wohnkosten ist die Grundvoraussetzung, dass Tennungsfamilie überhaupt gelebt werden kann“, gibt Ulbrich zu bedenken.
Hintergrund Wohnkostenpauschale
Die Macher der Düsseldorfer Tabelle waren bisher immer bestrebt, eine einheitlich bundesweit geltende Düsseldorfer Tabelle und eine entsprechend einheitliche Wohnkostenpauschale zu gestalten. Dass dies auf Grund der regional sehr unterschiedlichen Wohnkosten unmöglich ist, war allen wohlbewusst. Die Crux war bisher immer, dass von einigen Oberlandesgerichten (OLGs) auf Gebiete verwiesen wurde, wo man für 520 € angeblich eine warme Wohnung bekommt.
„Diese OLGs gaben den Takt vor. Betroffene werden darauf verwiesen, höhere Wohnkosten einzuklagen und somit quasi durch Eigeninitiative die Rechtsprechung zu ändern. Die Praxis zeigt, wer in Scheidung lebt, erst recht wer am Selbstbehalt knabbert, scheut Gerichts- und Anwaltskosten“, kritisiert ISUV-Pressesprecher Josef Linsler.
Reform des Kindesunterhaltsrechts
Obwohl der Selbstbehalt wie der Mindestunterhalt eine sozialpolitische Standardgröße ist, wird er von Richtern der Oberlandesgerichte festgesetzt, während der Mindestunterhalt durch die Politik vorgegeben wird. ISUV möchte, dass beide sozialen Standards durch die Politik festgelegt und entsprechend mehr Transparenz geschaffen wird. In diesem Zusammenhang werden dann auch transparente Regelungen für individuelle Wohnkosten geschaffen werden müssen, die Trennungsfamilien fördern.