Reform des Kindesunterhaltsrechts: Eckpunkte klammern Düsseldorfer Tabelle aus
Ist der Kindesunterhalt, der gemäß Düsseldorfer Tabelle von Unterhaltspflichtigen an Unterhaltsberechtigte am Monatsanfang zu zahlen ist, angemessen und ausgewogen zwischen beiden Trennungseltern aufgeteilt?
Die Düsseldorfer Tabelle (DTB) ist in Schieflage, das wissen alle, das beklagen alle, Fachleute und Betroffene. Die Eckpunkte hinterfragen trotzdem die DTB nicht. Man hat sich an die DTB gewöhnt, es ist einfach bequem für Anwälte und Richter so weiterzumachen, auch wenn die Tabelle Schwächen hat, in Bezug auf die soziale Realität in Schieflage ist, daher Ungerechtigkeiten produziert und auch dem Gesetz nicht entspricht.
„Von einer Reform erwarte ich mir, dass sie bestehende Probleme aufgreift, Schwächen benennt, nach einer gerechteren, transparenteren einfacher handelbaren Lösung sucht“, fordert die ISUV-Vorsitzende Melanie Ulbrich. Ein Blick über die Grenzen zeigt, die DTB ist nicht alternativlos, Kindesunterhalt kann auch anders und sogar einfacher berechnet werden.
Düsseldorfer Tabelle produziert Mangelfälle
Die DTB ist ausgelegt für zwei Kinder, d. h. ein Unterhaltsschuldner der 1. Einkommensgruppe – bis 1900 EURO – soll für zwei Kinder den Mindestunterhalt zahlen können. Dafür reicht sein Einkommen aber bei weitem nicht aus, der notwendige Eigenbedarf von 1370 des unterhaltspflichtigen Elternteils müsste unterschritten werden.
Auch in der nächsten Einkommensgruppe 1900 – 2300 reicht das Einkommen nicht, um den Mindestunterhalt für zwei Kinder der mittleren Altersstufe zu befriedigen. Das Fundament der Düsseldorfer Tabelle stimmt nicht, das Haus, das darauf errichtet wird, ist entsprechend in Schieflage.
Die DTB produziert also „Mangelfälle“. Das sind Trennungseltern, wo der eine nicht den Mindestunterhalt zahlen kann und dem anderen das Geld fehlt. Das ist ein besonderer Konfliktstoff, weil ein Elternteil meint es könnte mehr gezahlt werden, weil dem Unterhaltsschuldner aber nur der Selbstbehalt 1370 EURO – nicht viel mehr als Bürgergeldempfängern – bleibt trotz voller Berufstätigkeit nach Abzug von Steuern und Sozialabgaben.
Düsseldorfer Tabelle nicht inflationsfest
In der DTB wird der Kaufkraftverlust durch Inflation einseitig dem unterhaltspflichtigen Elternteil aufgebürdet, dessen Einkommen bekanntlich auch unter dem Kaufkraftverlust schwindet. Hat der Unterhaltsschuldner eine Lohnerhöhung, steigt dadurch sein Einkommen nominal und er rutscht in eine höhere Einkommenstufe, so zahlt nicht 10 Prozent mehr Unterhalt, sondern teilweise bis zu 16 Prozent mehr. Siehe hierzu die Rechenbeispiele in der Anlage.
Betroffene drücken dieses Missverhältnis dann so aus: „Mein Lohn steigt nicht um 10 Prozent.“ – „Ich zahle 14 Prozent mehr Unterhalt. Die Lohnerhöhung war ein Schuss ins Knie. Ich habe schon mit meinem Chef gesprochen, wie wir das anders machen können.“
Wie im Schaubild dargestellt, führt dies seit Jahren zu einer Entwicklung, dass jährlich der Kindesunterhalt steigt, das real verfügbare Einkommen des unterhaltspflichtigen Elternteils kontinuierlich geringer wird.
Düsseldorfer Tabelle ist realitätsfern
Erst wenn ein Unterhaltspflichtiger über 2374 EURO netto verfügt, kann er den Mindestunterhalt von zwei Kindern der mittleren Altersstufe zahlen. Viele, viele Menschen verfügen über dieses Einkommen nicht, weil sie im Niedriglohnsektor arbeiten. Die Entwicklung und Ausweitung des Niedriglohnbereichs wurde einfach verdrängt.
Stattdessen wurde und wird weiterhin ein Bedarf konstruiert, der sich nach sozialrechtlichen und steuerrechtlichen Maßgaben richtet. „Die Unterhaltshöhe muss sich am verfügbaren Einkommen orientieren und nicht an beliebig ausweitbaren Bedarfskonstrukten. Ansonsten sind die Forderungen realitätsfremd.
Düsseldorfer Tabelle: Nur ein Elternteil zahlt
Die DTB geht von einem Unterhaltsschuldner aus. Fakt ist, dass inzwischen beide Trennungseltern arbeiten, über ein Drittel in Vollzeit, nahezu 50 Prozent in Teilzeit. Sinnvollerweise müssen beide Einkommen bei der Unterhaltsberechnung herangezogen werden. Beide Einkommen sind insbesondere auch dann zu berücksichtigen, wenn es um den Mindestunterhalt geht.
Eine Reform muss vermeiden, dass einem Elternteil ein Zweitjob zugemutet wird, bis er den Mindestunterhalt zahlen kann, obwohl der andere Elternteil über ein gutes Einkommen verfügt. „Beim ISUV-Coaching stellen wir immer wieder fest, dass man die Empathie füreinander wecken kann, wenn man die Haushaltseinkommen beider Elternteile vergleicht“, halt Melanie Ulbrich festgestellt.
Bei ISUV versteht man nicht, warum die DTB, somit die Aufteilung von Unterhalt, in den Eckpunkten des Justizministeriums ausgeklammert wird. „Hier besteht dringender Gesprächsbedarf. Die Düsseldorfer Tabelle darf keine Heilige Kuh sein, die unantastbar ist. Es geht auch anders und gerechter, wie der Blick über die Grenzen zeigt“, fordert die ISUV-Vorsitzende.