„Papa, warum fahren wir nicht auch in Urlaub?“
Unveränderter Trend, der Kindesunterhalt wird wieder um 9 Prozent angehoben, in 2 Jahren sind das 20 Prozent mehr. Damit halten Lohnerhöhungen nicht Schritt. Das hat Auswirkungen auf Kinder und den unterhaltspflichtigen Elternteil.
Wenn ab 1. Januar 2024 die Unterhaltsbeträge angehoben werden, trifft das viele Unterhaltspflichtige hart. In den Medien wird das immer mit dem Narrativ „Kinder bekommen mehr Geld“ gefeiert. Dabei wird die Frage ausgespart, woher das „Geld“ kommt und welche Auswirkungen das für den Schuldner und dessen Betreuungsmöglichkeiten der Kinder hat. Der Selbstbehalt wurde um 6 Prozent auf 1450 EURO angehoben. Für Menschen, die im Niedriglohnsektor arbeiten, wird damit das Existenzminimum gesichert. „Die massiven Unterhaltsanhebungen haben dazu geführt, dass gutverdienende Unterhaltspflichtige aus der Mittelschicht mit mehr Kindern oft nicht mehr haben als den Selbstbehalt. Ja manche werden gar zu Mangelfällen, wenn neben Kindesunterhalt beispielsweise ehebedingte Schulden abzutragen sind“, stellt die ISUV-Vorsitzende Melanie Ulbrich fest.
Fallbeispiel eines ISUV-Mitglieds: Vater von zwei Kindern, beschäftigt im Öffentlichen Dienst
Die Fakten – Rahmenbedingungen
Der Unterhaltsschuldner ist Vater von zwei Kindern im Alter von 11 bzw. 7 Jahren. Im Jahr 2024 werden sie 12 bzw. 8 Jahre alt. Der Vater ist im öffentlichen Dienst beschäftigt, verdient inklusive 13 Monatsgehalt Netto 32.903 Euro zusätzlich ab Juni 2023 Inflationsausgleich, ab Juli monatlich 220 Netto, zuvor eine Abschlagszahlung von 1240 EURO, insgesamt 2560 Euro im Jahr 2023, somit ergibt sich ein unterhaltsrelevantes Netto von 35.463 EURO. Mit Nebenjob, monatlich 200 EURO, stehen 37.643 Netto zur Verfügung. Daraus ergibt sich dann ein monatliches Nettoeinkommen von 3155 EURO.
Bisher wurde für die Kinder jeweils 377 Euro gezahlt, zusammen 754 Euro monatlich. Mit der Mutter gab es eine Verständigung bezüglich Fahrtkosten, monatlich wurden 120 EURO Fahrtkosten berechnet, um die Kinder abzuholen und zu bringen. Unterhalt wurden bisher in 2023 monatlich insgesamt 874 Euro gezahlt inklusive aufgerechnete Fahrtkosten.
Ohne Nebenjob wäre der Vater schon 2023 ein Mangelfall. Im Budget eingeplant ist schon jetzt für Notsituationen die finanzielle Unterstützung durch die Eltern.
Veränderungen 2024 – „Ich bin ein Mangelfall.“
Im Jahr 2024 verändert sich der Kindesunterhalt auf Grund mehrerer Faktoren: einer Lohnsteigerung, der Anhebung der Zahlbeträge der Düsseldorfer Tabelle und der Tatsache, dass ein Kind in eine höhere Altersgruppe rutscht. Somit besteht Anspruch auf 29 Prozent monatlich mehr Kindesunterhalt. Aus 874 EURO werden jetzt 1126 EURO Kindesunterhalt monatlich, also 252 EURO mehr, im Jahr sind das 3024 EURO mehr nach der ab 1.1.2024 gültigen Düsseldorfer Tabelle.
Total waren im Jahr 2023 auf das ganze Jahr gerechnet 10488, im Jahr 2024 sind 13512 EURO zu zahlen. Der Vater hofft, dass ihm die Mutter finanziell entgegenkommt, sprich sich beide im Rahmen einer Mediation auf einen niedrigeren Kindesunterhalt einigen können.
Bleibt es beim regulären Kindesunterhalt gemäß Düsseldorfer Tabelle, so bleiben vom Nettoeinkommen noch 24131 EURO. Davon gehen nochmals jährlich ehebedingte Schulden von 7427,64 EURO ab.
Monatlich ergibt sich ab 1.Januar 2024 folgendes Budget: Einkommen 3137 EURO, davon gehen 1126 EURO Kindesunterhalt und 618,97 EURO Tilgung ehebedingter Schulden ab. Somit verbleiben noch 1392 EURO. Der Selbstbehalt beträgt ab 1. Januar 2024 1450 EURO. „Mit einem überdurchschnittlichen Nettoeinkommen von 3137 EURO wird man dank Düsseldorfer Tabelle und Rechtsprechung zum Mangelfall. Leider ist das kein Einzelfall“, stellt Melanie Ulbrich fest.
„Meistbetreuender Elternteil“ – „Weniger betreuender Elternteil"
Das Haushaltseinkommen der Expartnerin als Krankenschwester stellt sich anders dar. Sie arbeitet 65% der Regelarbeitszeit, verdient ca. 2.000 bis 2.200 Euro im Monat. Dazu kommen Kindergeld 500 Euro und der Anspruch auf Kindesunterhalt von 1126 EURO, was dann einem Haushaltseinkommen von 3626 Euro monatlich entspricht. „Für uns ist klar, die Haushaltseinkommen von Vater und Mutter müssen verglichen werden, denn der Grundsatz lautet Beide betreuen - Beide Bezahlen, nur so ist Gerechtigkeit und gemeinsame Elternschaft möglich“, fordert Melanie Ulbrich.
Der Anteil, den der weniger betreuende mit den Kindern verbringt, spiegelt sich nicht im Unterhalt wider. Mindestens 30 % der Zeit verbringen die Kinder beim Vater. „Wir chatten oder telefonieren unter der Woche regelmäßig. Wir wohnen - einfache Fahrt - ca. 40 km auseinander. Ich würde die Kinder gerne häufiger an Wochenenden sehen, aber es lässt sich nicht immer mit dem Nebenjob vereinbaren. So paradox es klingen mag – je mehr ich die Kinder sehe – desto unbezahlbarer wird es für mich“, sagt der Vater.
Was ersparte Kosten/Zeit beim anderen Partner ausmacht, welche Kosten beim weniger betreuenden Elternteil entstehen, bleibt beim Unterhalts-Monopoly unberücksichtigt. „Die Kinder fragen mich, ob ich nicht auch mal mit ihnen in Urlaub fahre. Dabei werde ich immer verlegen. Ich würde sehr gerne mit Ihnen in Urlaub fahren, vermehrt Ausflüge machen. Aber es ist paradox. Je mehr die Kinder bei mir sind - desto teurer wird es/desto weniger kann ich arbeiten“, betont der Vater.
„Fiktiver Wohnkostenvorteil“
Der Vater bewohnt eine von ihm umgebaute Wohnung/Haus. Somit hat er gemäß gängiger Rechtsprechung einen „fiktiven Wohnkostenvorteil“, also mehr „fiktives Einkommen“, d.h. er rutscht in der Düsseldorfer Tabelle zwei Stufen höher und muss dann entsprechend mehr Unterhalt zahlen.
„Das ist nun der eigentliche Wahnsinn: Ich habe den Umbau wegen der Familie getätigt, was mir jetzt zum Nachteil ausgelegt wird. Meine Kinder sind hier groß geworden bis vor 2 Jahren ausschließlich hier gewohnt, haben Bezug zum Umfeld, kommen auch gerne wegen Oma/Opa und Freunden. Erklären Sie mal das den Kindern, dass ich wegziehen muss, weil ich das finanziell nicht stemmen kann und somit noch ein Stück Vertrautheit wegfällt“, kritisiert der Vater.
Ob sich seine finanzielle Situation verbessert, wenn er umzieht, ist mehr als fraglich. Im Selbstbehalt sind Wohnkosten für eine warme Wohnung von 520 EURO vorgesehen. „Auch in den meisten ländlichen Regionen bekommt man dafür keine angemessene Wohnung, in der Kinder angemessen betreut werden können, geschweige denn eine warme Wohnung“, kritisiert Melanie Ulbrich.
Ausblick – möglicher Lichtblick
Der Vater hofft weiter, wie schon einige Male in der Vergangenheit, auf das Entgegenkommen der Mutter. Erfreulicherweise reden die Eltern miteinander, sind gerade in einer Mediation. „Ich erhoffe mir, dass die Mutter und ich eine einvernehmliche Lösung erarbeiten können, die Belange der Kinder im Blick hat und ebenso die beidseitigen, persönlichen Einkommensverhältnisse. Das familienrechtliche System, die Rechtsprechung halte ich für unverhältnismäßig und veraltet – auch im Familienrecht sollte eine Zeitenwende eingeläutet werden. Beide betreuen – Beide bezahlen“, betont der Vater.
Der ISUV unterstützt Menschen in Trennung und Scheidung, indem Betroffene durch Coaching angeleitet werden, einvernehmliche Lösungen für die Betreuung der Kinder und die beidseitigen Einkommensverhältnisse zu finden.