Trennungseltern: Gemeinsam statt einsam an Weihnachten – nicht nur da, aber da ganz besonders

Ausgrenzung eines Elternteils – hier des Vaters, und das auf einem Plakat der Stadt Esslingen.

Viele Trennungseltern sind bundesweit auf Wohnungssuche. Gesucht werden bezahlbare Wohnungen, in denen auch Kinder betreut werden können. Das gemeinsame Wohnen in einem Haus oder einer Wohnung gestaltet sich sehr oft sehr schwierig – ja ist manches Mal unmöglich.

„Das spitzt sich vor Weihnachten und Festtagen in der Regel stark zu, weil mit diesen Tagen Erinnerungen und Gefühle von Frieden Freude, Familie verbunden sind, man eng beieinander ist“, stellt ISUV-Vorsitzende Melanie Ulbrich fest und meint weiter: „Entspannung tritt dann ein, wenn sich beide Elternteile in angemessenen Wohnungen einrichten und die Kinder gemeinsam betreuen können.“

Mit welchen Bandagen und Botschaften auf dem Wohnungsmarkt gekämpft wird, veranschaulicht die Zuschrift des ISUV-Mitglieds Daniel:

Brief von Betroffenem

Ich bin Vater von drei wunderbaren Kindern. Ich wende mich heute an Sie, um meine Bedenken in Bezug auf ein Plakat auszudrücken, das mir in letzter Zeit aufgefallen ist und auf das mich mehrere Menschen angesprochen haben.

Sie finden das Plakat in der Anlage. Wenn ich dieses Plakat sehe, fühle ich mich als Vater, der seine Kinder zu 40 Prozent betreut, diskriminiert. Es ist mir und nicht wenigen anderen unverständlich, wie man einem Kind eine derartige Botschaft in den Mund legen kann. Das Ganze wird dann auch noch als Weihnachtbotschaft verpackt.

Wegen der Betreuung meiner drei Kinder habe ich meinen zweiten Wohnsitz in Esslingen genommen. Die vergangenen Jahre waren für mich und meine Kinder nicht einfach. Nach der Trennung von meiner Frau haben meine Kinder dreimal ihren angestammten Wohnsitz verloren, da sie aufgrund des Umzugs meiner Ex-Partnerin ihre gerade gewohnte Umgebung dreimal verlassen mussten.

In einer Zeit, in der sich unsere Familie in Veränderung befand und befindet, ist es mir ein Herzensanliegen, die Bedeutung der Anwesenheit beider Eltern für Kinder zu betonen. Gerade im Zusammenhang von Trennung und Scheidung ist es wichtig, dass Kindern Mutter und Vater erhalten bleiben. Dies bedeutet Kontinuität und vermittelt den Kindern Stabilität.

Diskriminierung

Die im Text gebrauchte Formulierung „ohne ihren Ex“ kann nur schwer an Ignoranz und moralischem Indifferentismus übertroffen werden.

Ich habe mich an den Oberbürgermeister, die Damen und Herren des Stadtrates gewandt und klargestellt: Der EX, das ist der Vater! Alle Erfahrung zeigt, Kinder lieben in der Regel beide Elternteile, es sei denn sie werden gezielt entfremdet. Die dem Kind in den Mund gelegte Botschaft – „ohne meinen EX“ – suggeriert Entfremdung und stellt diese auch noch positiv dar. Geht es eigentlich noch, diese Botschaft mit Weihnachten in Verbindung zu bringen? – Die christliche Weihnachtsbotschaft wird auf den Kopf gestellt.

Kinder nicht instrumentalisieren

Ich appelliere an die Stadt Esslingen und die Politik insgesamt, ein Elternbild zu vermitteln, das im Sinne des Kindeswohls ist,  das betont, wie wichtig beide Elternteile für das Wohl der Kinder sind. Die Diskriminierung eines Elternteils sollte in jedem Fall vermieden werden.

Ich betreue meine Kinder zu 40 % und kann aus erster Hand berichten, wie schwierig es ist, angemessenen bezahlbaren Wohnraum zu finden. Als unterhaltspflichtiger Vater trage ich die finanzielle Verantwortung. In dieser meiner Situation bin ich gezwungen, Wohngeld zu beantragen, um meinen Kindern ein Zuhause bieten zu können, obwohl ich Vollzeit berufstätig bin.“

Weihnachten gemeinsam

Melanie Ulbrich kommentiert: „Ich unterstreiche jedes Wort unseres Mitglieds, insbesondere seine Forderung an die Politik, im Sinne des Kindeswohls sich für gemeinsame Elternschaft nachhaltig zu engagieren. Kinder gegen einen Elternteil zu instrumentalisieren und das noch mit Weihnachten zu verbinden, das ist absolut daneben. Es geht auch weihnachtlicher, wie wir im ISUV-Plakat zeigen.“ Die ISUV-Vorsitzende verweist darauf, dass immer mehr Eltern zur Freude der Kinder Heiligabend gemeinsam verbringen.

Reaktion der Stadt Esslingen auf Beschwerde

Nachdem ISUV-Mitglied Enno J. von der Plakataktion in Esslingen erfahren hatte, reichte er eine Beschwerde beim städtischen Beschwerdemanagement ein und teilte die Reaktion der Stadt Esslingen mit uns.

Beschwerde an die Stadt Esslingen

Sehr geehrte Damen und Herren,

Ich bin fassungslos, was Ihre Stadt für Werbeplakate im städtischen Raum mit Steuergeldern finanziert. Sowohl die Diskriminierung gegenüber Vätern als auch die Instrumentalisierung Minderjähriger halte ich für absolut unpassend. Und unabhängig davon möchte ich als betroffener Vater, der ich weit über 1000,- € monatlichen Kindesunterhalt für zwei Kinder zahle, Ihnen versichern, dass dies - gepaart mit der Tatsache, diesen Kindern dennoch Wohnraum vorzuhalten - für einen unterhaltspflichtiges Elternteil ebenfalls hohe finanzielle Hürden darstellt.


Ich würde es begrüßen, wenn Sie diese Plakate aus dem öffentlichen Raum entfernen.

Enno J.

Reaktion der Stadt Esslingen

Sehr geehrter Herr J.,



vielen Dank für Ihre Nachicht. 

Tatsächlich haben wir zuletzt mit Plakaten im Esslinger Stadtgebiet für unsere Initiative des Wohnraummanagements geworben. Deren Ziel ist es, Menschen mit angemessenem und bezahlbarem Wohnraum zu versorgen, die selbst nur geringe Chancen auf dem Wohnungsmarkt haben. Dazu bringt das Wohnraummanagement Eigentümer:innen von Immobilien mit Personen auf Wohnungssuche zusammen – mit Erfolg. 


Bislang konnte das Wohnraummanagement der Stadt Esslingen bereits 25 Wohnungen an insgesamt 75 Personen vermitteln, darunter auch 36 Kinder. Diese Personen suchten dringend Wohnraum, weil sie wegen Eigenbedarf gekündigt wurden, in Wohnungen mit defekten Heizungen oder mit Ex-Partner und Kind in einer kleinen Zwei-Zimmer-Wohnung leben. 


Dabei unterstützt das Wohnraummanagement alle bedürftigen Personen – unabhängig von Alter, Geschlecht, Religion, Familienkonstellation oder weiterer Faktoren. Die mit Abstand größte Gruppe in der Notfallkartei jedoch stellen alleinerziehende Mütter mit Kind dar. Einige davon leben momentan tatsächlich gemeinsam mit Ex-Partnern in einer kleinen Wohnung. Der Ex-Partner ist nicht mit explizit mit dem Vater der Kinder gleichzusetzen. 


Um für diese Menschen in der Notfallkartei weitere Wohnungen im Esslinger Stadtgebiet zu akquirieren, entwarfen wir die Werbekampagne mit Großflächen-Plakaten in Esslingen. Das von Ihnen thematisierte Plakat ist dabei eines von vier unterschiedlichen Motiven, die wir auf Basis der ganz real vermittelten Fälle entwickelten:
 

  • „Ein Weihnachtsbaum im Wohnzimmer. Überhaupt ein Wohnzimmer.“
  • „Plätzchen im Ofen. Und Platz für Geschwister.“
  • „Ein Zuhause für Mama und mich. Ohne ihren Ex.“
  • „Etwas Licht in dieser dunklen Zeit. Und beheizbare Zimmer.“


Ziel der Werbekampagne ist es, noch mehr Menschen auf die Not der rund 300 Esslinger Familien und Haushalte in der Notfallkartei aufmerksam zu machen. Es ist nicht unsere Absicht, einzelne Personen – oder Personengruppen wie in diesem Falle die Ex-Partner – auszugrenzen. 


Vielmehr möchten wir dadurch den Bekanntheitsgrad der Initiative steigern und für die vielen Esslinger Familien und Personen in der Notfallkartei noch mehr Wohnungsangebote erhalten. 


Mit freundlichen Grüßen

Ihr Team Kommunikation

ISUV – Kompetenz im Familienrecht seit über 45 Jahren

Der ISUV vertritt als größte deutsche und überparteiliche Solidargemeinschaft die Interessen von Bürgern, die von Trennung, Scheidung und den damit zusammenhängenden Fragen und Problemen - elterliche Sorge, gemeinsame Elternschaft trotz Trennung, Umgangsrecht, Kindesunterhalt, Unterhalt für ehemalige Ehegatten, Vermögensausgleich, Ausgleich der Rentenansprüche - betroffen sind.

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