Versorgungsausgleich - BVerfG - 11.12.2014
Abschaffung des sogenannten Rentnerprivilegs beim Versorgungsausgleich durch die Strukturreform zum 1.9.2009 verfassungskonform.
Beschluss:
Gericht: BVerfG
Datum: 11.12.2014
Aktenzeichen: 1 BvR 1485/12
Leitparagraph: SGB §268a~ BeamtVG §57~ SVG §55c
Quelle: www.bundesverfassungsgericht.de
Kommentierung:
Nach dem bis zum 1.9.2009 geltenden Recht wurde die Versorgung der ausgleichspflichtigen Person nicht mit Wirksamkeit der Entscheidung über den Versorgungsausgleich (zumeist Ehescheidung) gekürzt, wenn der Ausgleichspflichtige zum Zeitpunkt der Scheidung bereits eine Alternsrente/Pension bezog (Rentnerprivileg/Pensionistenprivileg). Die Kürzung durch den Versorgungsausgleich setzte dann erst mit dem Rentenbezug/Pensionsbezug des ausgleichsberechtigten Ehegatten ein. Dieses Privileg wurde mit Einführung des Versorgungsausgleichsgesetzes zum 1.9.2009 abgeschafft. Begründet wurde dies damit, dass die Versichertengemeinschaft nicht länger mit Kosten belastet sein soll, die aus der individuellen Gestaltung einer Ehe herrühren.
Beispiel:
Der versorgungsausgleichspflichtige Ehegatte ist zum Zeitpunkt der Ehescheidung 70 Jahre alt, seine Ehefrau 40 Jahre alt. Der 70 Jahre alte Ehegatte wird 90 Jahre alt, die Ehefrau ebenso. Nach altem Recht behielt der zunächst 70 Jahre alte Ehegatte 20 Jahre bis zum Tod seine volle Rente (ohne Kürzung durch den Versorgungsausgleich), da der ausgleichsberechtige Ehegatte in dieser Zeit noch keine Rentenbezüge bekam, nach Rentenbezug jedoch den durch den Versorgungsausgleich bedingten Rentenanteil aus der Rente des verstorbenen dann selbst bis zum eigenen Tod erhält. Damit hat die Rentenkasse und somit die Versichertengemeinschaft 20 Jahre ungekürzte Rente an den Vorsorgungsausgleichsverpflichteten zahlen müssen und dann nochmal 25 Jahre den Versorgungsausgleichsanteil an die geschiedene Ehefrau.
Derartige Mehrkosten waren durch die Rentenversicherungsbeiträge der geschiedenen Eheleute nicht gedeckt. Auf der anderen Seite wird zugunsten eines Rentnerprivilegs argumentiert, dass der Rentner nach der jetzigen Gesetzesregelung nur eine gekürzte Rente erhält, obwohl der andere Ehegatte, der noch nicht in Rente ist, vom Versorgungsausgleich noch nichts hat und somit die Kassen der Rentenversicherungsträger zulasten des Rentenberechtigten „gefüllt“ werden.
Das Bundesverfassungsgericht hat eine Verfassungsbeschwerde eines betroffenen Rentners (hier: ehemaliger Soldat) nicht zur Entscheidung angenommen, mit der Begründung, dass die Abschaffung des Rentnerprivilegs nicht gegen Art. 14, Abs. 1 GG (Grundrecht auf Eigentum) verstößt. Es ist verfassungsrechtlich zulässig, die Kürzung der Versorgungsbezüge nicht an den tatsächlichen Beginn des Rentenbezuges des ausgleichsberechtigten Ehegatten zu koppeln, sondern mit der Entscheidung zum Versorgungsausgleich. Das frühere Rentnerprivileg/Pensionistenprivileg sei nach altem Recht verfassungsrechtlich zulässig, aber nicht geboten gewesen, mit der Folge, dass der Gesetzgeber dieses Privileg hat abschaffen dürfen. Das Bundesverfassungsgericht sieht nicht nur den Fall, dass die versorgungsausgleichspflichtige Person eine gekürzte Rente bezieht, während der andere Ehegatte noch keine Leistung erhält, sondern auch den Fall, das der Rentenversicherungsfall bei der ausgleichsberechtigten Person früher als beim anderen Ehegatten eintritt und somit bereits zu einem Zeitpunkt Rentenleistungen erhält, zu dem bei Fortbestand der Ehe noch keine Versicherungsleistung erfolgt wäre. In jedem Fall wird jedoch der entscheidende Zweck erreicht, der versorgungsausgleichsberechtigten Person ein eigenes Versorgungsanrecht zu verschaffen, dazu ist jedoch eine besondere Privilegierung des Rentners/Pensionisten zum Zeitpunkt der Scheidung nicht geboten und in keinem Fall die Abschaffung verfassungswidrig.
Mit dieser klaren Entscheidung wird man nunmehr „leben müssen“. Im zugrundeliegenden Fall waren ohnehin schon weitere, vom Gesetzgeber vorgesehene Anpassungsmöglichkeiten genutzt worden. So wurde bereits die Kürzung der Rente teilweise ausgesetzt in Höhe eines gesetzlichen Ehegattenunterhaltsanspruches (§ 33 VersAusglG – dem sogenannten Unterhaltsprivileg, welches zum 1.9.2009 dahingehend modifiziert wurde, dass nur noch in Höhe eines gesetzlichen Unterhaltsanspruches die Kürzung des Versorgungsausgleichs ausgesetzt wird und nicht in voller Höhe, unabhängig davon, wie hoch der Unterhaltsanspruch ist – so die Rechtslage vor dem 1.9.2009, auch diese Gesetzesänderung wird als verfassungskonform angesehen). Ebenso wurde ein anderweitiges Instrumentarium genutzt, da der Versorgungsausgleichspflichtige schon vor Eintritt ins Rentenalter eine Versorgung wegen Invalidität bezog und daher auch die sogenannte Invaliditätsanpassung (35 VersAusglG) gegriffen hat. Trotzdem blieb noch ein Teil der übertragenen Rente übrig, welches gekürzt blieb. Diesbezüglich hatte der Betroffene die Verfassungsbeschwerde wegen Abschaffung des Rentnerprivilegs eingereicht.
Egal, wie man zu der Abschaffung des Rentnerprivilegs steht, ist die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes eindeutig und bestätigt den Gesetzgeber in seinem Bestreben, die Rentenkassen nicht unnötig zu belasten. Der obige Beispielsfall zeigt auch, dass das Rentnerprivileg nach altem Recht in Einzelfällen zu einer nicht rechtfertigenden „Plünderung“ der Rentenkasse geführt hat. Zudem war und ist ohnehin nicht einzusehen gewesen, warum gerade derjenige, der „zufälligerweise“ zum Zeitpunkt der Scheidung bereits Rentner war, privilegiert wurde, derjenige, der kurz vor Renteneintritt geschieden wurde, nicht. Wie gesagt, das Bundesverfassungsgericht hat im Sinne der Verfassungsgemäßheit hinsichtlich der Abschaffung des Rentnerprivilegs entschieden, sodass sich für die nächste Zukunft weitere Diskussionen hierüber erübrigen.