Kenntnis der Abstammung bei künstlicher Befruchtung: Jeder Mensch hat ein Recht darauf seine Abstammung zu kennen
Nürnberg (ISUV) Nahezu 35 Jahre nach der Geburt des ersten „Retortenbabys“, nachdem inzwischen jährlich über 10 000 „Retortenkinder“ geboren werden, legt das Gesundheitsministerium einen „Entwurf eines Gesetzes zur Regelung des Rechts auf Kenntnis der Abstammung bei heterologer Verwendung von Samen“ vor. Ziel des Gesetzes ist es, dass Kinder, die durch künstliche Befruchtung gezeugt wurden, Auskunft über ihre Abstammung bekommen müssen. Dafür wird ein „zentrales Samenspenderregister“ geschaffen. Betroffene Kinder können hier unter Wahrung des Datenschutzes gesetzlich vorgeschriebene Daten des „Samenspenders“ – des biologischen Vaters – abrufen. „Wir begrüßen dieses Gesetz, denn es schafft mehr Transparenz für die Kinder und trägt der UN-Kinderkonvention Rechnung. Nach Artikel 8 hat jedes Kind ein Recht darauf seine leiblichen Eltern zu kennen. Das ist wichtig für die Identitätsbildung und somit Bestandteil des Kindeswohls“, stellt der ISUV-Vorsitzende Rechtsanwalt Ralph Gurk fest.
Hintergrund
Nicht wenige Ehepaare, verheiratet oder nicht, homosexuelle und lesbische Paare wollen Kinder, sind aber ohne die Hilfe der Medizin dazu nicht in der Lage. Künstliche Befruchtung gilt inzwischen im Bewusstsein einer großen gesellschaftlichen Mehrheit als legitimes Mittel um sich den Kinderwunsch zu erfüllen oder gar den Traum vom „Wunschkind“ wahrwerden zu lassen. Biologisch-medizinisch wurden die Methoden verfeinert, so dass künstliche Befruchtung heute sehr erfolgreich durchgeführt werden kann. Billig ist die künstliche Befruchtung nicht, fast allen medizinischen Aufwand müssen die rechtlichen Eltern weiterhin selbst zahlen.
Mit dem medizinischen Fortschritt hielt der soziale und legislative Kontext nicht Schritt. Ärzte und Krankenhäuser führten ihre eigene Datenbank. Eltern hielten die künstliche Befruchtung gegenüber den Kindern vielfach geheim. Zu den verschiedensten Aspekten mussten Gerichte immer wieder im Einzelfall Urteile sprechen. Die Initiative für diesen Gesetzentwurf ging letztlich vom Bundesgerichtshof (BGH) aus. Er hatte in einer Grundsatzentscheidung die Rechte von Kindern gestärkt, die durch eine künstliche Befruchtung gezeugt wurden. Laut BGH haben sie einen Anspruch auf Auskunft über die Identität des anonymen Samenspenders. (Urteil vom 28.01.20015, Az.: XII ZR 201/13). Geklagt hatten zwei Kinder, die von einer Klinik Auskunft über die Identität des genetischen Vaters verlangten. Die Eltern hatten in einem Vertrag auf Kenntnis der Identität verzichtet. Der BGH stellte bei seiner Argumentation besonders heraus, dass der Auskunftsanspruch des Kindes Teil des Persönlichkeitsrechts in Artikel 1 und 2 GG ist. Bei dieser Auskunft handle es sich um eine Information, die für die Entfaltung der Persönlichkeit wichtig ist.
Regelungen
Der Entwurf trifft einige Klarstellungen, die im Verlauf der Jahre durch ‚Gerichte angemahnt worden waren. So stellt das Gesetz klar, dass an den „Samenspender“ keine Ansprüche auf Unterhalt oder Erbe gestellt werden können. Des Weiteren soll geregelt werden, welche Daten im zentralen „Samenspenderregister“ genannt werden müssen. Des Weiteren wird geregelt wie und unter welchen Voraussetzungen Kinder über ihre Abstammung Auskünfte einholen können. Ebenso werden „Samenbanken“ Auflagen gemacht. Sie haben sowohl den „genetischen Vater“ aber auch die rechtlichen Eltern aufzuklären über ihre jeweiligen Pflichten. Die Samenbank hat die Pflicht jede „Samenspende“ genau zu dokumentieren, so dass der genetische Vater eindeutig festgestellt werden kann.
Weiterer Regelungsbedarf
Geklärt werden muss wohl auch, was mit den „Altfällen“ passiert: Welche Rechte haben Kinder, die per künstlicher Befruchtung gezeugt wurden, die ihren genetischen Vater nicht kennen. Wer Geschwisterehen ausschließen will, muss wohl auch ein Auskunftsanspruch über die Halbgeschwister ins Gesetz schreiben. Über Kontaktanbahnung zwischen genetischem Vater und Kind, steht im Gesetzentwurf nichts. Aber auch das Verhältnis zwischen rechtlichen Eltern und genetischem Vater sollte in dem Gesetz nicht nur unter biologischen Aspekten angesprochen werden.
„Ein zentrales Samenspenderregister reicht nicht. Wenn biologische und rechtliche Vaterschaft nicht gleich sind, wird es immer nicht nur informativen, sondern auch informellen Gesprächsbedarf geben. Dafür sollte es spezielle Beratungseinrichtungen geben. Sie sind dem Kindeswohl beziehungsweise dem Glück der durch eine Samenspende gezeugten Menschen verpflichtet. Dort sollte der Kontakt mit dem genetischen Vater geregelt und gefördert werden. Die rechtlichen Eltern sollten durch die Beratungsstellen auch angehalten werden offen mit den Kindern über die künstliche Zeugung zu sprechen“, fordert ISUV-Pressesprecher Josef Linsler.
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