Ist die Beziehung noch zu retten – oder wann ist der Zeitpunkt zu gehen?
„Soll ich Schluss machen oder es weiterhin probieren?“- Sie kennen das sicher, Sie haben sich sicher die Frage auch öfter gestellt, bevor Sie gegangen oder geblieben sind. Manch ein Partner ist kurz entschlossen und trennt sich, weil er nicht gelernt hat zu streiten oder weil seine Persönlichkeit keine Disharmonie verträgt. Es ist in jedem Fall eine zentrale Frage in jeder kriselnden Partnerschaft: „Ist die Beziehung noch zu retten – oder ist es Zeit einen Schlussstrich zu ziehen, bevor man sich aufreibt, Konflikte in Gewalt umschlagen, man krank wird – physisch und psychisch?“
Von Mitgliedern höre ich immer wieder, dass einen Partner oder auch beide Partner diese Frage Monate, ja Jahre lang quält und die Entscheidung hinausgeschoben wird. Ist dies sinnvoll?
Es gibt viele Gründe trotz massiver Störung der Beziehung zusammen zu bleiben: Paare bleiben oft zusammen wegen der Kinder, Paare bleiben zusammen wegen der Verwandtschaft, aus Gründen materieller Sicherheit und gegenwärtig immer öfter aus Angst vor Einsamkeit in der ach so coolen Erlebnisgesellschaft, in der Freunde – wer auch immer so genannt wird, schließlich gibt es auch „Freunde“ in Facebook - einfach inzwischen ein Statussymbol sind. Wer auf die Wertschätzung der Freunde angewiesen ist und wer Gefahr läuft mit der Trennung die Freunde zu verlieren, schiebt sie nur allzu gerne auf.
Sollten Paare aus den genannten Gründen zusammenbleiben, einen Modus Vivendi finden, sich einfach aus dem Wege gehen und so Konflikte minimieren? Paarbiographien zeigen: Das kann gehen, aber um welchen Preis.- Als Regel gilt allerdings, wenn die Liebe zu Ende ist, sollte man gehen.
Das sagt sich leicht, aber woran erkennt mann/frau, dass die Liebe unwiederbringlich vorbei ist? Im Nachhinein, wenn der Trennungsschmerz überwunden und die Beziehung sachlich reflektiert werden kann, erkennt frau/mann sehr wohl, wann das „Aus“ war. In der konkreten Situation ist das nicht leicht, bekanntlich stirbt die Hoffnung zum Schluss.
Wann sollte – wann muss man gehen?
Psychologen, Paartherapeuten, Coaches nennen bestimmte Verhaltenskonstellationen, die zumindest für einen Partner dauernd belastend sind und ein Ende der Partnerschaft über Kurz oder Lang vorzeichnen.
Seitensprung – Fremdgehen eines Partners oder beider Partner
Die klassische Vorstellung: Einer der Partner geht fremd und der andere zieht aus. Ein Seitensprung gilt als das klassische Liebesaus. – Ist er das? Wie auch immer die Beziehung ist, Fremdgehen ist Vertrauensbruch. Es kommt allerdings darauf an, ist einer der Partner ein notorischer Fremdgänger, eine notorische Fremdgängerin, so ist Handeln angesagt, ein Ende mit Schrecken ist allemal besser als ein Schrecken ohne Ende.
Handelt es sich um einen „Fehltritt“, so ist bedächtiges Handeln, Gespräche, Verzeihen wohl der menschlichere Weg, raten Paartherapeuten. Wichtig ist auch immer die sachliche Analyse: Wer war die treibende Kraft? Wie ist jemand in die Situation geraten, war der Seitensprung geplant, kommt es über Monate zu Heimlichkeiten, wird das Fremdgehen geleugnet…? Im Übrigen gilt es Abschied zu nehmen von der Vorstellung, dass Männer untreu und Frauen treu sind. Männer und Frauen schenken sich da nichts mehr. Je jünger die Frauen umso mehr wird der Seitensprung als Lebenselixier geplant und wahrgenommen. Millionen von Frauen und Männern bieten sich in Netzwerken zum Seitensprung an - und glauben gar dadurch ihre Beziehung zu retten.
Keine Zärtlichkeiten, kein Sex zwischen den Partnern oder nur einseitig Zärtlichkeiten und Sex von einem Partner
Signifikanter als ein Seitensprung ist die Tatsache, wenn über mehrere Monate keine Zärtlichkeiten zwischen den Partnern ausgetauscht werden oder wenn nur ein Partner zärtlich ist und der andere die Zärtlichkeit nicht erwidert – oder sich gar abwendet. Auf das Aus weist auch hin, wenn sich die Partner über einen längeren Zeitraum nicht mehr sexuell attraktiv finden und kein Sex mehr stattfindet. Bitteres Ende ist wohl dann, wenn ein Partner den anderen noch attraktiv findet, der aber nicht mehr will, Sex nur über sich „ergehen“ lässt oder sich direkt weigert. Laut Psychologen ist dies die – ganz schnell das Strafrecht tangierende gefährlichste Situation, weil sexuelle Verweigerung manchmal in Gewalt mündet.
Die Beziehung ist von Gewalt geprägt
Gewalt hat natürlich viele Facetten, physische und psychische Gewalt, wobei der „Schwächere“ psychischer Gewalt nicht gewachsen ist und zu physischer Gewalt greift. Wo physische Gewalt im Spiel ist, ist Gefahr in Verzug, nicht zuletzt strafrechtlich. Wer physisch gewalttätig wird, setzt sich a priori ins Unrecht, gerade im Zusammenhang mit Trennung und Scheidung wird der gewalttätige Partner zum „Schuldigen“. Kommt es zu Gewalt, gibt es nur eine Maxime: Beratung aufsuchen oder gleich gehen. Bekanntlich eskaliert ja Gewalt.
Streiten kann verbinden – Streiten will gelernt sein
Ständige Harmonie kann langweilig sein, auch ein Zeichen von Desinteresse, Gleichgültigkeit, Resignation, der eine sagt immer ja, um Diskussionen aus dem Weg zu gehen. Ständiges Streiten kann aber umso mehr zerstörerisch sein, insbesondere wenn es immer um Grundsätzliches geht, wenn beim Streiten alles in Frage gestellt wird, wenn der Ton aggressiv ist, die Wortwahl beleidigend. Dagegen kann Streiten um einer Sache willen oder um einer guten Beziehung willen durchaus verbinden, insbesondere dann, wenn die Gesprächsregeln eingehalten werden: zuhören, aussprechen lassen, sachlich bleiben, höflich bleiben, nachzufragen, versuchen den anderen zu verstehen, … Allerdings, wird wegen jeder Kleinigkeit gestritten, so ist das zermürbend und höhlt erfahrungsgemäß auf Dauer die Beziehung aus.
Wenn Langweile, Leere, Ablehnung Raum greift
Es ist oft ein schleichendes Gefühl, frau/mann haben sich nichts mehr zu sagen, wenn sie zu Zweit sind. Das lässt sich durch Geselligkeit mit Freunden, mit „Feiern“, Alkohol vorübergehend überdecken. Aber dieses Gefühl kommt immer wieder und einer der Partner oder beide Partner haben Angst davor, gestehen es sich nicht ein sind irritiert vom anderen und von sich selbst. Wenn noch was zu retten ist, ist in dieser Situation Eheberatung angesagt.
Die Ursachen können vielfältig sein: Oft hat einer der Partner sich weiterentwickelt – beruflich, persönlich – einer hat sich gehen lassen, der andere auf sich geachtet… So entsteht heimlich mit der Zeit und latent ein Gefühl der Unzufriedenheit, der Resignation, das sich dann auch emotional in Abneigung, Enttäuschung und Leere äußert.
Die nächste Stufe des Endes der Beziehung besteht darin, dass einer der Partner am andern herumnörgelt, zuerst meist sporadisch, dann ständig, Vorschriften macht, was der andere zu tun und zu lassen hat, belehrend und unduldsam wird, schließlich herablassend und bestimmend.
Es kommt auch immer wieder vor, dass Gewohnheiten, die man früher vielleicht sogar mochte, immer wieder zu Nörgeleien führen – oder einfach unerträglich sind, ständig innere Ablehnung auslösen, höchstens noch über Mitleid akzeptiert werden. Auf Dauer kann das nicht gutgehen, meinen Paartherapeuten.
Dieses Verhalten hält der andere nicht aus, er resigniert oder er begehrt auf. Dieses Verhalten, diese Haltungen signalisieren ein Ende der Beziehung, die Partner treten auf der Stelle, bewegen sich quasi im Kreis. Paare sind – so behaupten Paartherapeuten – meist nicht in der Lage ohne professionelle Hilfe diesen fatalen Kreislauf zu durchbrechen. Hat sich dieses Verhalten verfestigt, ist zum festen Bild geworden, so zumindest sagen die Beziehungsexperten, kommt meist jede Hilfe zu spät – „die Fronten haben sich verhärtet“, verinnerlicht.
Bleiben die Partner zusammen, so kann das zumindest einen – oder auch beide depressiv, krank machen. Wenn eine Beziehung krank macht, müssen sich die Partner trennen. Trennen muss sich auch immer der, der mehr leidet, auch wenn es schwerfällt, weil er meist mehr an der Beziehung „hängt“.
Respektlosigkeit
Jede Beziehung basiert auch auf gegenseitigem Respekt. Zeichen für das Beziehungsende ist auch, Signal für eine notwendige Trennung ist, wenn der andere sich respektlos verhält, ständig vor anderen sich über den anderen Partner lustig macht, seine Äußerungen nicht ernst nimmt, sie abwertet und negativ kritisiert.
Wenn ein Partner den anderen immer wieder verspottet, respektlos mit ihm umgeht zu Hause und vor anderen, ist das auch ein signifikantes Zeichen dafür, dass er sich um die Gefühle des anderen wenig Gedanken macht, nicht bereit ist, sich in den anderen einzufühlen. Sich einfühlen in den anderen – also Empathie – ist eine Grundvoraussetzung, dass eine Beziehung überhaupt funktionieren kann.
Keine gemeinsamen Zukunftspläne – keine Perspektive
Jede gute Beziehung ist auf Zukunft angelegt. frau/mann macht Pläne, was man mit dem Anderen tun und erleben möchte. Das Glück der gemeinsamen Zukunft macht in der Regel beide Partner kreativ, sie planen zusammen und sind unternehmenslustig.
Tatsache ist umgekehrt, wer keine gemeinsamen Pläne macht, sich scheut gemeinsame Pläne zu machen, zweifelt an der Beziehung, an ihrer Tragfähigkeit, bekennt sich nicht dazu. Gemeint ist nicht, dass man/frau gleich nach einigen Wochen oder Monaten alles gemeinsam machen, gemeinsam wirtschaften und nur noch ein Konto haben, …
Gemeint ist vielmehr, dass sich einer der Partner jahrelang wünscht und immer wieder anspricht, doch zusammenzuziehen, vielleicht Kinder zu haben, eine Familie zu gründen, … und der andere weicht immer wieder aus, sucht nach Gründen, schiebt immer wieder auf, lässt sich nicht auf ein Datum ein – aber „schenkt nicht reinen Wein ein“, wie es um seine Gefühle bestellt ist, dass er aus Bequemlichkeit, aus „Mangel an Alternativen“ bleibt.
Die Situation kann „gefährlich“ sein für den Partner, der mehr Gemeinsamkeit, eine Familie, Kinder, gemeinsame Wohnung, Heirat wünscht, wenn er immer wieder hingehalten, vertröstet und schließlich nach Jahren dann verlassen wird. „Gefährlich“ ist die Situation insbesondere, wenn die „Zeit davonläuft“.
Wer feste Lebensziele und klare Vorstellungen vom persönlichen Glück hat, sollte sich nicht allzu lange hinhalten lassen, auf Entscheidung drängen. Falls die nicht erfolgt, muss der „betroffene“ Partner sich trennen, wenn er nicht nach Jahren verlassen und mit „leeren Händen“ dastehen will, d. h. möglicherweise konkret neben Gefühlen auch noch Geld in die Beziehung investiert hat. Trennungen unter diesen Vorzeichen sind in der Regel immer besonders heftig, hat doch der eine bis zum Schluss gehofft, dass „es noch wird“.
Wer sich also nicht selbst aufgeben will, sich nach einer gemeinsamen Wohnung mit dem anderen sehnt und der beispielsweise nach zwei Jahren sich immer noch windet, sollte sich trennen, auch wenn es schwerfällt, bevor es „zu spät ist“. Je länger eine derart „aussichtslose“ Beziehung dauert, umso schwerer fällt die Trennung, umso mehr hat sich der „betroffene“ Partner in „Beziehungsarbeit“ und vergeblichen Hoffnungen aufgerieben.
Paartherapeuten meinen, dass gerade bei der Konstellation nach einer kurzen, aber sehr intensiven leidvollen Abnabelung, die Trennung als befreiend empfunden wird. Schließlich ist frau/mann dann wieder frei und kann an die Verwirklichung der eigenen Lebensträume denken.
Ein Partner vernachlässigt, verheimlicht den anderen – nur eine Affäre
Gefährlich wird von Beziehungsexperten diese Partnerschafts-Konstellation eingestuft: Einer der Partner fährt zu „seinen“ Eltern – immer allein, zu Familienfeiern – immer allein, Feiern mit „seinen“ Freunden – fast immer allein…
Partnerschaft sieht anders aus. Und dennoch stimmt die Chemie zwischen Beiden, auch die Kommunikation stimmt, zu zweit werden glückliche Stunden erlebt und verlebt – aber nicht oder kaum mit anderen. Kann das gutgehen, wenn einer den anderen verheimlicht, quasi zur Affäre macht? Verkraftet das der andere, muss er sich nicht gedemütigt, bevormundet ausgesperrt fühlen, kann das ohne bleibende Verletzungen gehen, macht diese Situation den Ausgesperrten nicht automatisch depressiv?
Beziehungsaffären enden bekanntlich im Nichts. Der Eine hat gegeben und möglicherweise auch noch im wahrsten Sinne des Wortes gezahlt, der andere hat immer nur launisch-egozentrisch genommen und genossen. Daher gilt nur eine Maxime: Raus aus der Affäre, rein in eine gleichberechtigte Beziehung, in der Beide zueinander stehen – privat und öffentlich.
Raus aus der Affäre möglichst früh, solange der „verheimlichte“ Partner noch nicht emotional abhängig, noch frei genug ist um kontrolliert zu handeln. Möglicherweise zwingt er damit dem anderen das Gesetz des Handelns auf, zwingt ihn zu einer Entscheidung.
Fazit: Wann ist das „Aus“ einer Beziehung vorprogrammiert?
Voraussetzung für eine tragfähige Entscheidung ist, dass jeder ehrlich sich selbst gegenüber ist, Mitleid hilft nicht weiter, verändert in der Situation möglicherweise etwas, aber auf Dauer nichts. Wann also sollte mann/frau gehen?
Wenn einer dem anderen nicht mehr verzeihen kann, wenn die negativen Gefühle überwiegen, wenn einer lieber allein als mit dem anderen etwas unternimmt, wenn einer den anderen verheimlicht, nicht zu ihm steht, wenn die Partnerschaft nach objektiven Maßstäben eine einseitige Affäre ist, wenn Streiten aus Beleidigen und Niedermachen besteht, wenn Gespräche, wenn Mediation, wenn Paartherapie nicht helfen.
Tief verankert in unseren Köpfen ist die Sehnsucht nach dem ewigen Glück, soziologischer Ausdruck dafür ist der Bund fürs Leben. Jede Trennung bedeutet Abschied nehmen von der Vorstellung vom ewigen Glück. Das ist in gewissen Partner-Konstellationen sehr schmerzlich, aber notwendig – notwendig immer dann noch bevor die Beziehung einen Partner oder beide Partner krank macht.
Ist das Aus einer Beziehung vorprogrammiert, dann gilt der Grundsatz: Trennung – je früher umso besser. Aber das sagt sich so leicht, bekanntlich stirbt die Hoffnung zuletzt – insbesondere die Hoffnung vom ewigen Glück.
Es ist eine zentrale Aufgabe von ISUV Offenheit, Empathie, aber auch die nötige sachliche Distanz für die Trennungskonstellationen von Betroffenen und Mitgliedern aufzubringen, in Gesprächen mäßigend einzuwirken, Verständnis zu zeigen – möglicherweise für beide Seiten. Alle Erfahrung von Paartherapeuten, Familienrechtlern und ISUV-Aktiven zeigt, nur wer die Trennung akzeptiert hat und eine Chance im Neuanfang sieht, ist offen für sachliche einvernehmliche Lösungen. Wem das nicht gelingt, der möchte bewusst oder unbewusst den „Treulosen“ übers Familienrecht „bestrafen“. Das endet dann im Scheidungskrieg.