Ehewohnung - BGH - 10.03.2021


1. Solange der Anwendungsbereich des § 1568a BGB und damit das Ehewohnungsverfahren nach § 200 FamFG eröffnet ist, ist ein Herausgabeanspruch aus dem Eigentum gemäß § 985 BGB als sogenannte sonstige Familiensache i. S. des § 266 FamFG auch nach Rechtskraft der Scheidung nicht zulässigerweise durchsetzbar.

2. Der Anwendungsbereich des § 1568a BGB und auch der Anspruch auf Überlassung der Ehewohnung gemäß § 1568a Abs. 1 und Abs. 2 BGB erlischt ein Jahr nach Rechtskraft der Ehescheidung, wenn er nicht vorher rechtshängig gemacht worden ist.

Beschluss:
Gericht: BGH
Datum: 10.03.2021
Aktenzeichen:
Leitparagraph:
Quelle:

Kommentierung:

Der Ex-Ehemann verlangt von der Ex-Ehefrau, von der er seit Dezember 2015 rechtskräftig geschieden ist, die Herausgabe einer in seinem Alleineigentum stehenden Wohnung (§ 985 BGB). Die Ex-Ehefrau lebt in dieser Wohnung seit der Trennung im Jahr 2014, sie zahlt weder Miete noch Nutzungsentschädigung. Der Mann hatte schon mal im Jahr 2017 einen Herausgabeantrag auf § 985 BGB gestützt, was ihm das Amtsgericht verwehrt hat, mit dem Hinweis, dass nur eine sogenannte Ehewohnungszuweisungssache in Betracht käme. Nachfolgend hat er dann eine solche Ehewohnungssache gemäß § 200 FamFG eingeleitet. Das Amtsgericht hat zwar dann die Herausgabe der Wohnung an den Mann angeordnet, woraufhin das OLG die Entscheidung wiederum aufgehoben hat, mit dem Hinweis, dass nach seiner Rechtsauffassung gerade diese Verfahrensart entgegen des Amtsgerichtes für unzulässig erachtet, weil die Jahresfrist des § 1568a Abs. 6 BGB (ein Jahr nach Rechtskraft der Scheidung) verstrichen sei. Daraufhin hat der Mann erneut einen Herausgabeantrag nach § 985 BGB gestellt, wie er ihn eigentlich schon im Jahr 2017 gestellt hatte. Das Amtsgericht hat jetzt dem Herausgabeantrag stattgegeben. Hiergegen hat jetzt die Ex-Ehefrau Beschwerde zum OLG eingelegt, jedoch im Hinblick auf die vorherige OLG-Entscheidung folgerichtig ohne Erfolg. Die zugelassene und von der Ex-Ehefrau eingelegte Rechtsbeschwerde zum BGH hatte keinen Erfolg. Der BGH hat die Rechtsauffassung bestätigt, wonach unabhängig von Eigentumsverhältnissen der Anspruch auf Überlassung der Ehewohnung ein Jahr nach Rechtskraft der Scheidung erlischt und das auf das Eigentum gestützte Herausgabeverlangen gemäß § 985 BGB begründet ist.

Der Mann hatte hier offensichtlich eine „Verfahrens-Odyssee“, in der die zahlreichen Juristen sich offensichtlich nicht einig waren, welcher Verfahrensweg denn überhaupt der richtige ist und wie § 1568a BGB in der Summe auszulegen ist. Umso erfreulicher, dass nicht nur eine Rechtsbeschwerde zugelassen wurde, sondern der BGH auch die Gelegenheit hatte, diese Fragen zu beantworten:

  • Ob es sich um eine Ehewohnung handelt, ist nach der Situation im Zeitpunkt der Rechtskraft der Ehescheidung zu beurteilen. Der Anwendungsbereich des § 1568a BGB ist immer dann eröffnet, wenn es sich bei den Räumen auch während des Getrenntlebens um die Ehewohnung gehandelt hat (BGH, FamRZ 2017, Seite 22).
  • Eine Ehewohnungssache muss nicht zwingend im Scheidungsverbund geltend gemacht werden, sondern kann auch erst nach Rechtskraft der Scheidung anhängig gemacht werden.
  • § 1568a Abs. 6 BGB normiert, dass bei Mietverhältnissen mit Ablauf eines Jahres nach Rechtskraft der Scheidung die Gestaltungsmöglichkeiten auf Eintritt in eine Mietverhältnis oder auf die Begründung eines solchen Mietverhältnisses erlöschen. Diese Sperrwirkung ist ebenso gültig für den Überlassungsanspruch gemäß § 1568a Abs.1/2 BGB und kann daher vom Nichteigentümer nach Ablauf eines Jahres nicht mehr geltend gemacht werden.
  • Ein auf § 985 BGB gestütztes Herausgabeverlangen des Eigentümers ist daher grundsätzlich begründet.

Der BGH hat sich für Rechtsklarheit entschieden, wonach mit Ablauf eines Jahres nach Rechtskraft der Scheidung nur noch die Eigentumsverhältnisse eine Rolle spielen. Auch Belange des Kindeswohles sind insoweit unbeachtlich, weil der Zeitraum von einem Jahr ab Rechtskraft der Scheidung jedenfalls ausreichend ist, um noch eine Wohnungsüberlassung i. S. des § 1568a BGB zu beantragen. Wer dies versäumt kann sich auf Billigkeitsgründe oder Kindeswohlgründe nicht mehr berufen. Da der Ex-Ehefrau auch aus anderen Gründen ein Recht zum Besitz an der Wohnung nicht zustand (etwa eine sonstige Vereinbarung zwischen den Beteiligten auf Nutzung der Wohnung), hat der BGH die Verpflichtung zur Herausgabe an den Mann/Eigentümer bestätigt.