Bundesfinanzhof - anhängige Revisionsverfahren in Sachen Absetzbarkeit von Scheidungskosten
Die obergerichtliche Rechtsprechung ging zunächst davon aus, dass Gerichts- und Anwaltskosten einer Scheidung, einschließlich der Folgesache Versorgungsausgleich (ohne die Kosten für anderweitige Folgesachen, wie Zugewinn, Unterhalt oder Sorgerecht), als außergewöhnliche Belastung gemäß § 33 EStG absetzbar sind. Später hat der Bundesfinanzhof (Urteil vom 12.5.2011, Az VI R 42/10) sämtliche Kosten des Scheidungsverfahrens, einschließlich der Kosten für vorher nicht absetzbare Folgesachen (Zugewinn etc), dann, wenn die Rechtsverfolgung oder -verteidigung hinreichende Erfolgsaussicht hatte und nicht mutwillig war, für absetzbar erklärt. Damit waren auch alle Kosten des gesamten Scheidungsverfahrens mitumfasst. Dieser gerichtlichen Handhabe hat dann das Bundesministerium der Finanzen im Rahmen eines sogenannten Nichtanwendungserlasses (BMF-Schreiben vom 20.12.2011 – IV C 4-S 2284/07/0031002) Einhalt geboten. Ungeachtet dessen haben Finanzgerichte trotzdem Gerichts- und Anwaltskosten als außergewöhnliche Belastungen für absetzbar erklärt (Finanzgericht Düsseldorf, Urteil vom 19.2.2013, Az. 10 K 2392/12E). Gegen diese Entscheidung ist Revision eingelegt und wird beim Bundesfinanzhof unter dem Az. VI R 16/13 geführt.
Der Gesetzgeber hat dann zum 1.7.2013 ein neues Gesetz erlassen, wonach Zivilprozesskosten als Sonderausgaben grundsätzlich nicht mehr absetzungsfähig sind, es sei denn es würde sich um Aufwendungen handeln, ohne die der Steuerpflichtige Gefahr liefe, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse nicht mehr befriedigen könne (§ 33 Abs. 2 EStG in der Fassung seit 1.7.2013). Aufgrund dieser Rechtslage musste man zunächst davon ausgehen, dass Scheidungskosten insgesamt in keinster Weise mehr absetzungsfähig sind. Zwischenzeitlich gibt es jedoch mehrere Entscheidungen der Finanzgerichte, wonach auf der einen Seite Scheidungskosten absetzungsfähig sind (Scheidung und Versorgungsausgleich), auf der anderen Seite Scheidungskosten überhaupt nicht absetzungsfähig sind.
Absetzungsfähig gemäß § 33 EStG:
Das Finanzgericht Rheinland-Pfalz hat entschieden, dass Scheidungskosten auch nach der ab 1.7.2013 geltenden Neuregelung steuermindernd als außergewöhnliche Belastungen berücksichtigt werden können (Urteil vom 16.10.2014, Az. 4 K 1976/14, Revision eingelegt beim Bundesfinanzhof, Az. VI R 66/14). Das Gericht geht davon aus, dass es für einen Steuerzahler immer existentiell ist, sich aus einer zerrütteten Ehe zu lösen und somit Kosten zwangsläufig sind. Das Finanzgericht Rheinland-Pfalz hat jedoch ausdrücklich darauf hingewiesen, dass nur die Kosten der Scheidung und des Versorgungsausgleichs (Zwangsverbund) abzugsfähig sind, nicht die Kosten für die sogenannten gewillkürten Folgesachen, wie Zugewinn, Unterhalt etc.. Ebenso entschieden hat das Finanzgericht Münster mit Urteil vom 21.11.2014 (Az. 4 K 1829/14E, Revision eingelegt beim Bundesfinanzhof, Az. VI R 81/14).
Nicht absetzungsfähig gemäß § 33 EStG:
Das Niedersächsische Finanzgericht hat durch Urteil vom 18.2.2015 (Az. 3 K 297/14) entschieden, dass Scheidungskosten im Streitjahr 2013 nicht mehr als außergewöhnliche Belastungen steuerlich geltend gemacht werden können. Die Scheidung stelle nach den gesellschaftlichen Verhältnissen kein außergewöhnliches Ereignis mehr dar. Das Gericht hat sich insoweit auf die Daten des Statistischen Bundesamtes gestützt, nach denen zur Zeit jährlich rd. 380.000 Eheschließungen rd. 190.000 Ehescheidungen gegenüberstehen, also rd. 50 % der Anzahl der Eheschließungen erreichen und somit nicht mehr als außergewöhnlich zu bezeichnen sind. Diese Ausführungen bezieht das Gericht sogar auf die Zeit vor der Gesetzesänderung zum 1.7.2013 und geht weiterhin davon aus, dass seit der Gesetzesänderung zum 1.7.2013 die Abzugsfähigkeit der Scheidungskosten als Prozesskosten ohnehin generell abgeschafft sei. Ebenso hat das Sächsische Finanzgericht am 13.11.2014 entschieden (Az. 2 K 1399/14). Diese Entscheidung ist sogar rechtskräftig. Da das Niedersächsische Finanzgericht von den Entscheidungen des Finanzgerichtes Rheinland-Pfalz und des Finanzgerichtes Münster (siehe oben) abweicht, hat das Gericht die Revision zum Bundesfinanzhof zugelassen.
Wie man sieht, sind sich die Gerichte uneinig in der Auslegung des § 33 EStG. Der Bundesfinanzhof ist jetzt gefragt. Ob dann auch noch das Bundesverfassungsgericht angerufen wird, bleibt abzuwarten, möglich ist auch wieder eine Gesetzesänderung. Alles ist möglich – never ending story.
⇒ T i p p : In Steuererklärungen sollten alle Zivilprozesskosten/ Scheidungskosten angesetzt werden. Ablehnende Bescheide der Finanzverwaltung, egal ob für Zeiträume vor dem 01.07.2013 oder seit dem 01.07.2013, ist mit Einspruch/Klage zu begegnen, um die Bescheide nicht rechtskräftig werden zu lassen. Verwiesen werden sollte auf das Verfahren beim BFH, Az. VI R 16/13 – für Zeiten vor 01.07.2013 – bzw. auf das Verfahren beim BFH, Az. VI R 66/14 / Az. VI R 81/14, sowie FG Rheinland-Pfalz, Az. 4 K 1976/14, sowie FG Münster, Az. 4 K 1829/14 E – für Zeiten ab 01.07.2013. Ein Kostenrisiko (Rechtsanwalts- und Gerichtskosten) besteht.
Dieses kann minimiert werden, wenn man beim Finanzamt ein Ruhen des Verfahrens gemäß § 363 Abgabenordnung (AO) beantragt. Mit einem solchen Antrag ist das Finanzamt grundsätzlich gehalten, den Verfahrensausgang der genannten Verfahren beim BFH wegen Vorgreiflichkeit abzuwarten.
Einzelheiten zum Steuerrecht in Merkblatt Nr. 52 des Verbandes ISUV/VDU.