BGH, Urteil vom 21.11.2012 – Zugewinnausgleich

Der Zugewinnausgleich ist einer ehevertraglichen Regelung (Disposition/Ausschluss) im Hinblick auf die nachrangige Bedeutung des Zugewinnausgleichs im System des Scheidungsfolgenrechts am weitesten zugänglich. Ein Ehevertrag kann sich in seiner Gesamtwürdigung nur dann als sittenwidrig und insgesamt nichtig erweisen, wenn konkrete Feststellungen zu einer unterlegenen Verhandlungsposition des benachteiligten Ehegatten getroffen worden sind. Allein aus der Unausgewogenheit des Vertragsinhalts ergibt sich die Sittenwidrigkeit des gesamten Ehevertrages regelmäßig noch nicht~ insoweit sind auch salvatorische Klauseln (Wirksamkeit einer Klausel/Vertragsinhalt auch wenn andere Klauseln/Vertragsinhalte nichtig und unwirksam sein sollten) von Bedeutung

Urteil

Gericht         : BGH 
Datum           : 21.11.2012 
Aktenzeichen    : XII ZR 48/11 
Leitparagraph   : BGB §138~ BGB §242 
Quelle          : www.bundesgerichtshof.de 
Kommentiert von : RA Simon Heinzel

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Inhalt:

Zur Wirksamkeit eines Ehevertrages ist immer eine sogenannte Wirksamkeitskontrolle durchzuführen, d. h. es ist zu prüfen, ob zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses die Vertragsgestaltung wirksam war, daneben ist eine sogenannte Ausübungskontrolle geboten, d. h. es ist zu prüfen, ob zum Zeitpunkt der Entscheidung über die Wirksamkeit des Vertrages aufgrund ggf. veränderter Lebensumstände die ehevertragliche Regelung wirksam ist oder nicht. In der einen Entscheidung (Az. XII ZR 48/11) hat der BGH nochmals ausdrücklich darauf hingewiesen, dass zwar Unterhaltsrecht und Versorgungsausgleichsrecht zum Kernbereich des ehelichen Lebens gehört und daher ein strenger Prüfungsmaßstab anzulegen ist, hingegen das Vermögensrecht insbesondere das Güterrecht nicht zu diesem sogenannten Kernbereich zählt und somit ein Ausschluss des gesetzlichen Güterstandes – für sich genommen – regelmäßig nicht sittenwidrig sein kann. Nur wenn insgesamt festgestellt werden kann, dass eine sogenannte „unterlegene Verhandlungsposition des benachteiligten Ehegatten“ vorlag (so auch BGH, Az. XII ZR 129/10) wäre auch an eine Unwirksamkeit eines Zugewinnausgleichsauschlusses zu denken. Im zu entscheidenden Fall gab es hierzu jedoch keinerlei Anhaltspunkte. Selbst ein unausgewogener Vertragsinhalt mag zwar ein Indiz für eine unterlegene Verhandlungsposition sein, für sich allein rechtfertigt dies jedoch keine Sittenwidrigkeit.

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Auch wenn z. B. eine ehevertragliche Regelung auf Unterhaltsverzicht oder Versorgungsausgleichsverzicht aufgrund der Ausübungskontrolle sittenwidrig und daher nichtig ist, führt dies nicht zwangsläufig zu einer Gesamtnichtigkeit des Vertrages (§ 139 BGB), sondern auch insbesondere im Hinblick auf eine im Ehevertrag aufgenommene salvatorische Klausel bleibt ein Zugewinnausgleichsverzicht wirksam. Nur dann, wenn die Feststellung der Sittenwidrigkeit sich aus der Gesamtwürdigung eines einseitig belastenden Ehevertrages ergibt, kann auch trotz einer salvatorischen Klausel eine Gesamtnichtigkeit vorliegen. Im vorliegenden Fall waren jedoch ungleiche Verhandlungspositionen nicht feststellbar, sodass der Ausschluss des Zugewinns wirksam war.

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>~PRAXISTIPP:

Auch die hier zitierten zwei neuen Entscheidungen des BGH zur Wirksamkeit von Eheverträgen machen deutlich, dass die Entscheidungen mit erheblichem Begründungsaufwand getroffen werden (jeweils 20 – 30 Seiten Urteilsbegründung). Hieran erkennt man auch die jeweilige Einzelfallbezogenheit. Dass in einer kompakten „Besprechung“ der Urteile die Einzelheiten der Urteilsfindung nicht dargestellt werden können, liegt auf der Hand. Für die Praxis wird man jedoch mitnehmen können, dass Regelungen zum Güterrecht nahezu ausnahmslos „gehalten“ werden, selbst dann, wenn andere Regelungen nichtig sind und keine unterlegene Verhandlungsposition zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses nachgewiesen werden kann. Ebenso ist mitzunehmen, dass man in einem Vertrag in jedem Fall eine sogenannte salvatorische Klausel aufnehmen sollte, Schaden kann sie jedenfalls nicht. Ehevertragliche Vereinbarungen, die einen kompletten Unterhaltsverzicht oder einen kompletten Versorgungsausgleichsverzicht beinhalten, sind auch unabhängig von einer Unterlegenheitssituation zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses unwirksam, wenn zum Zeitpunkt der Trennung sich die Lebensverhältnisse verändert haben und „Defizite“ in den Rechten eines Ehegatten aufgrund der Gestaltung des Zusammenlebens entstehen (Beendigung vormaliger Erwerbstätigkeit wegen Kindererziehung). In diesen Fällen mag dann ein vormaliger Unterhalts-/Versorgungsausgleichsverzicht anzupassen sein, nicht hingegen der auf der Vermögensebene vereinbarte Zugewinnausgleichsverzicht.