BGH - Beschluss vom 8. Mai 2013 –XII ZB 192/11 Aufrechnungsverbot: Private Schulden können nicht gegen Unterhaltsschulden aufgerechnet werden
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat die Rechtsfrage entschieden, ob ein Unterhaltsschuldner befugt ist, gegen die auf Sozialleistungsträger übergegangenen Unterhaltsansprüche mit privaten Forderungen gegen den Unterhaltsgläubiger aufzurechnen.
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Der Antragsgegner ist Vater eines nicht ehelich geborenen Kindes. An die Kindesmutter, die von dem Antragsgegner getrennt lebt und das Kind allein betreut, zahlte er während der ersten drei Lebensjahre des Kindes keinen Betreuungsunterhalt. In diesem Zeitraum erbrachte das Jobcenter an die Kindesmutter Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts im Rahmen der Grundsicherung für Arbeitslose in einer Gesamthöhe von 11.678 €. Das Jobcenter verlangt im vorliegenden Verfahren vom Vater die Zahlung von Betreuungsunterhalt im Umfang der ausgezahlten Leistungen. Der Vater hat gegenüber dem Jobcenter erklärt, dass er deswegen aufrechne, weil er der Kindesmutter vor der Geburt ein Darlehen in Höhe von 12500 EURO gewährte, das ihm sie ihm zurückzahlen müsse. Amtsgericht und Oberlandesgericht haben die Aufrechnung verworfen und den Vater zur Zahlung von 11.678 € an das Jobcenter verpflichtet.
Der u.a. für das Familienrecht zuständige XII. Zivilsenat hat die Rechtsbeschwerde des Antragsgegners zurückgewiesen. Werden für den Unterhaltsberechtigten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts erbracht, geht dessen Unterhaltsanspruch kraft Gesetzes auf den Sozialleistungsträger über. Das gesetzliche Verbot, gegen Unterhaltsansprüche mit privaten Forderungen aufzurechnen, knüpft zwar an den zivilprozessualen Pfändungsschutz nach § 850 b Abs. 1 Nr. 2 ZPO an, den ein Sozialleistungsträger - anders als der Unterhaltsberechtigte - nicht benötigt. Durch das Aufrechnungsverbot sollen aber nicht nur die wirtschaftlichen Lebensgrundlagen des Unterhaltsberechtigten, sondern auch die Sozialsysteme geschützt werden, die beim Wegfall dieser Lebensgrundlagen für das Existenzminimum des Unterhaltsberechtigten einzustehen hätten. Könnten sich die Träger der Grundsicherung nicht auf das Aufrechnungsverbot berufen, stünde es dem Unterhaltsverpflichteten frei, den Unterhaltsberechtigten durch Zahlungsverweigerung zur Inanspruchnahme von Sozialleistungen zu zwingen, um anschließend durch Aufrechnung private Forderungen gegen den Unterhaltsberechtigten zu Lasten der Allgemeinheit beizutreiben. Dies widerspricht auch dem Grundsatz des Nachrangs von Sozialleistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts.
Quelle: BGH Presseerklärung