BGH, Beschluss vom 15.8.2012 – Zugewinn, Auskunft

Die Auskunftspflicht beim Zugewinn gemäß § 1379 BGB in der seit 1. September 2009 geltenden Fassung erstreckt sich auch auf illoyale Vermögensminderungen im Sinne des § 1375 Abs. 2 Satz 1 BGB, d. h. auf unentgeltliche Zuwendungen an Dritte, die keiner sittlichen Pflicht entsprachen, auf Vermögensverschwendungen oder auf Handlungen, die in der Absicht vorgenommen wurden, den anderen Ehegatten zu benachteiligen.

Allerdings hat der Auskunftsberechtigte konkrete Tatsachen vorzutragen, die ein unter § 1375 Abs. 2 Satz 1 BGB fallendes Handeln nahelegen. Das gilt jedenfalls dann, wenn uns soweit Auskunft für Zeiten vor der Trennung begehrt wird.

Urteil

Gericht         : BGH 
Datum           : 15.08.2012 
Aktenzeichen    : XII ZR 80/11 
Leitparagraph   : BGB §1379~ BGB §1375 Abs.2 
Quelle          : FamRZ 2012, S.1785 
Kommentiert von : RA Simon Heinzel 

Inhalt:

Dieser Beschluss des BGH stellt klar, dass auch über sogenannte illoyale Vermögensminderungen Auskunft zu erteilen ist, auch wenn Zeiträume betroffen sind, die noch vor der Trennung liegen. § 1379 BGB gibt seit 1.9.2009 verschiedenste Auskunftszeitpunkte vor (Rechtshängigkeit des Scheidungsantrages = Endvermögen, Tag der Eheschließung = Anfangsvermögen sowie Zeitpunkt der Trennung). Schon nach alter Rechtslage stellte sich die Frage, ob der Auskunftsverpflichtete auch Auskunft zu erteilen hat, wenn der „Vermögenstatbestand“ schon vor Rechtshängigkeit des Scheidungsantrages oder vor der Trennung lag. Der BGH hat eindeutig festgehalten, dass Auskunft nicht nur über die drei oben genannten Zeitpunkte verlangt werden kann, sondern allgemein über jegliches Vermögen, soweit es für die Berechnung des Anfangs- und Endvermögens maßgebend ist, sodass sich die Auskunftspflicht auch auf illoyale Vermögensminderungen als Berechnungselement, insbesondere des Endvermögens, erstreckt (ebenso: OLG Brandenburg, FamRZ 2012, S. 1714).

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Soweit die Rechtsgrundlage für die Auskunft über illoyale Vermögensminderungen vormals § 242 BGB gewesen ist, so ist Rechtsgrundlage seit dem 1.9.2009 § 1379 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BGB. Der BGH hat nunmehr ausdrücklich festgehalten, dass derjenige, der diese Auskunft verlangt, konkrete Tatsachen substantiiert vortragen muss, die eine illoyale Vermögensminderung naheliegen lassen. Insoweit kann die Behauptung, der Ehegatte habe Geld auf einem bestimmten Konto beiseite geschafft, ausreichen, wenn dieses Geld dann im Endvermögen auch nicht mehr vorhanden ist. Allein der Hinweis auf das Verschwinden eines Vermögensgegenstandes reicht jedoch nicht aus, denn dies kann verschiedene Ursachen haben: entweder ist das Vermögen nur umgeschichtet worden, sodass der Vermögenswert weiterhin im Endvermögen vorhanden ist, oder der Vermögenswert ist tatsächlich weg, was wiederum auf redliche und unredliche Weise geschehen sein kann. Nur in der letzten Variante kommt eine illoyale Vermögensminderung in Betracht. Die bloße Behauptung, in der Auskunft über das Endvermögen sei ein Vermögensgegenstand nicht mehr vorhanden, kann daher keine Pflicht zur Auskunft auslösen. Der Gesetzgeber hat in § 1375 Abs. 2 Satz 2 BGB eine illoyale Vermögensminderung bei Verschwinden eines Vermögensgegenstandes zwischen Trennung und Scheidung vermutet. Hier ist es ganz klar Aufgabe desjenigen, der das Vermögen hatte, eine anderweitige Verwendung des Vermögens darzutun und zu beweisen. Diese gesetzliche Vermutung greift jedoch nur für Vermögensvorgänge nach der Trennung. Für die Zeit vor der Trennung wird wohl kein allgemeiner Auskunftsanspruch über Vermögensbewegungen bestehen, hier muss der andere Ehegatte Anhaltspunkte für illoyale Vermögensminderungen vortragen.

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Wie schon ausgeführt, reicht es nicht aus, dass z. B. vorgetragen wird, während der Ehezeit seien auf Konten Vermögenswerte vorhanden gewesen, die jetzt nicht mehr da sind. Hieraus ergibt sich kein illoyales Verhalten. Vielmehr müssen Indizien dargelegt werden, die ein solches illoyales Verhalten vermuten lassen. Ein solches Indiz kann sein, dass Vermögensverschiebungen zeitnah vor dem Berechnungsstichtag vorgenommen worden sind und sich für den Verbrauch des Geldes keine naheliegenden plausiblen Begründungen finden lassen. Ebenso die Verweigerung der Auskunft hierzu, legt die Vermutung nahe, dass Vermögenswerte in Benachteiligungsabsicht beiseite geschafft worden sind (so schon OLG Köln, FamRZ 2007, S. 1327). Wenn der auskunftsbegehrende Ehegatte schlüssig behauptet, der andere Ehegatte habe eine illoyale Vermögensbewegung vorgenommen, muss der andere Ehegatte schlüssig und substantiiert eine sachgerechte Verwendung darlegen (BGH, NJW 2000, S. 2347, OLG Düsseldorf, FamRZ 2008, S. 1858 u. a.). Eine zeitliche Nähe der Vermögensverschiebung zum Stichtag (nach neuer Rechtslage egal, ob Trennungszeitpunkt oder Rechtshängigkeit des Scheidungsantrages) wird in folgenden Fällen angenommen:

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  • der ausgleichspflichtige Ehegatte hat sich 7 Monate vor dem Stichtag seine Lebensversicherung ausbezahlen lassen (OLG Karlsruhe, OLGR 2001, S. 106)
  • der ausgleichspflichtige Ehegatte hat 1,5 Jahre vor dem Stichtag eine Kapitallebensversicherung und eine Bausparvertrag sich auszahlen lassen, die Auszahlungsbeträge nicht mitgeteilt, sowie ein Barvermögen von rund 15000 Euro ohne nähere Erklärung „verbraucht“ (AG Detmold, FamRZ 1988, S. 1165)
  • der ausgleichspflichtige eine Lebensversicherung vorzeitig kündigt und unzureichende Erläuterungen zum Verbleib tätigt (OLG Köln, FamRZ 2005, S. 274).

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Da auch illoyale Vermögensminderungen Berechnungselemente des Endvermögens sind, besteht grundsätzlich diesbezüglich ein Auskunftsanspruch. Die Rechtsprechung wird weiterhin die Anforderungen an den konkreten Tatsachenvortrag vermutlich unterschiedlich werten, sodass anzuraten ist, immer umfangreich Umstände vorzutragen, aus denen sich ein nicht fernliegender Verdacht von benachteiligenden Handlungen – Vermögensverschiebungen – ergibt. Denn nur dann muss der Antragsgegner substantiiert Stellung nehmen und die Auskunft erteilen (ebenso zur alten Rechtslage gemäß § 242 BGB: BGH, FamRZ 2005, S. 689~ OLG Düsseldorf, FamRZ 2007, S. 830~ OLG Köln, FamRZ 2005, S. 274).