Benachteiligung von Zweitehen / Zweitfamilien

Jede fünfte, in den neuen Bundesländern gar jede vierte Ehe, die geschlossen wird, ist eine Zweitehe. Einer der Partner oder auch beide haben also zumindest schon einmal den Bund fürs Leben vorzeitig gekündigt. Der Heiratsmarkt für Zweitehen stieg und wird auch weiterhin steigen, denn pro Jahr werden durchschnittlich 350 000 Eheleute durch Scheidung "freigesetzt". Innerhalb von fünf Jahren nach der Scheidung suchen und finden über 60 Prozent der Frauen und 55 Prozent der Männer das zweite Glück.
Der Rest lebt größtenteils in einer festen nichtehelichen Partnerschaft.

Das zweite Glück steht jedoch vielfach unter einem schlechten Stern, insbesondere dann, wenn einer der Partner noch Unterhaltsverpflichtungen gegenüber Kindern aus der ersten Ehe und der Erstehefrau hat. Rechtsprechung und Gesetzgebung kümmern sich wenig um Wohl und Wehe der Zweitfamilie, den Begriff der Zweitfamilie kennt das BGB nicht einmal. Juristisch relevant wird die Zweitfamilie erst dann, wenn der Unterhalt zwischen den Kindern aus erster und zweiter Ehe und zwischen den Ehefrauen aufgeteilt werden muß. Aber sehr oft reicht das Einkommen des Alimentenzahlers — noch überwiegend der berufstätige Mann — nicht dazu aus, alle Ansprüche angemessen zu befriedigen.

Die Nachteile von Zweitehefrauen sind vielfach unbekannt:

Betreut die Erstehefrau Kinder, sind die Unterhaltsforderungen der Zweitehfrau immer nachrangig, — sogar dann, wenn sie auch minderjährige Kinder betreut. Daher müssen die meisten Zweitehefrauen berufstätig sein, um das Familienbudget aufzubessern. In der Praxis bleibt ihnen deswegen auch nichts anderes übrig, als jede Arbeit anzunehmen, ganz im Gegensatz zur Erstehefrau, die auf eine "angemessene" Arbeit (§ 1574 BGB) pochen kann.

Da bei der Scheidung die Rentenansprüche im Rahmen des Versorgungsausgleichs geteilt werden, kann die Zweitehefrau sich meist nicht auf eine ausreichende Altersversorgung des Mannes verlassen. Vielmehr muß sie sich normalerweise um eine eigene Altersversorgung kümmern.

Die Zweitehe muß wirtschaftlich funktionieren, daher ist Doppelbelastung der Zweitehefrau die Regel. Eine Hausmannsehe kommt quasi nicht in Frage, es sei denn, die Zweitehefrau übernimmt die Unterhaltspflichten ihres Mannes.

Stirbt der Mann, "erbt" die Zweitehefrau bis zu einem gewissen Grad seine Unterhaltspflicht. Zwar ist die geschiedene Ehefrau nicht erbberechtigt, aber gemäß § 1586 b "geht die Unterhaltspflicht auf den Erben als Nachlaßverbindlichkeit über".
Die Zweitehefrau muß, so will es das Gesetz, der Ersten so lange Unterhalt zahlen, bis deren fiktiver Pflichtteil abgegolten ist.

Thema des ISUV-Forums sind diese Benachteiligungen von Zweitfamilien / Zweitfrauen.
Aber auch grundsätzliche Fragen sollen diskutiert werden:

- Geht das Grundgesetz weiter von einer lebenslangen Ehe aus?
- Kann dies angesichts der hohen Scheidungsrate überhaupt noch die Norm sein?
- Kinder einer Zweitehe sind vielfach benachteiligt - ist dies mit der Verfassung vereinbar?
- Ist die Privilegierung der Erstehefrau gegenüber der "Zweiten" zumindest in Teilen
verfassungswidrig?

ISUV / VDU e.V. strebt eine Verfassungsbeschwerde gegen die Benachteiligung von Zweitfamilien / Zweitfrauen an.
Der ISUV-Arbeitskreis Zweitfamilien / Zweitfrauen hat dazu einen Fragebogen entwickelt.
Mit Hilfe des Fragebogens sollen "verfassungsbeschwerdetaugliche" Fälle analysiert werden.

Teilnehmer des Forums sind :
Wolfgang Bebber, MdL, SPD
Selbständiger Rechtsanwalt, seit 1984 Mitglied des Landtages
Brigitte Lösch, MdL, Bündnis 90/die Grüne
Familienpolitische Sprecherin
Dr. Ulrich Noll, MdL, F.D.P
Stellvertretender Fraktionsvorsitzender und
Sozialpolitischer Sprecher
Prof. Dr. Wolfgang Reinhart, MdL, CDU
Rechtspolitischer Sprecher
Josef Linsler, ISUV-Bundespressesprecher
Moderation:
Jörg Hamann, Stuttgarter Nachrichten