Auskunftsanspruch | Bekanntgabe des Erzeugers - BGH - 02.07.2014 | BVerfG - 03.03.2014
BGH
a) Auskunftsanspruch des Scheinvaters gegen die Mutter des Kindes auf Mitteilung des möglichen Erzeugers gemäß § 242 BGB bestätigt (BGH, FamRZ 2012, S. 200 und BGH, FamRZ 2013, S. 939).
b) Durch die Mitteilung der Mutter, der mögliche Erzeuger und dessen Name sei ihr nicht bekannt, wird der Auskunftsanspruch nicht erfüllt. Fehlt der Mutter tatsächlich sämtliche Kenntnis vom Erzeuger, muss sie dies beweisen. Dazu gehört auch der Vortrag und erforderlichenfalls auch der Beweis, dass sie die ihr unter den Umständen des Einzelfalls zumutbaren Erkundigungen eingeholt hat.
BVerfG
Die Aussetzung der Vollstreckung einer Entscheidung, in der eine Mutter zur Auskunft über die Person des mutmaßlichen leiblichen Vaters ihres Kindes verurteilt worden ist, ist wegen des Eingriffs in das allgemeine Persönlichkeitsrecht, wenn dieses von den Vorgerichten nicht ausreichend beachtet wurde, begründet.
Beschluss:
Gericht: BGH | BVerfG
Datum: 02.07.2014 | 03.03.2014
Aktenzeichen: XII ZB 201/13, 1 BvR 472/14
Leitparagraph: BGB §242, BGB §607, GG Art.2
Quelle: www.bundesherichtshof.de
Kommentierung:
Der BGH hat erneut entschieden, dass der Grundsatz von Treu und Glauben dem Scheinvater ein Auskunftsrecht gegenüber der Mutter zusteht, wenn die zwischen den Parteien bestehenden Rechtsbeziehungen es mit sich bringen, dass der Auskunftsberechtigte, der zur Durchsetzung seiner Rechte (z. B. Unterhaltsregress) darauf angewiesen ist, in entschuldbarer Weise über das Bestehen und den Umfang seines Rechts im Ungewissen ist und der Auskunftsverpflichtete in der Lage ist, unschwer die zur Beseitigung dieser Ungewissheit erforderlichen Auskünfte zu erteilen. Nach der einen Entscheidung des BGH (BGH, FamRZ 2012, S. 200) ist eine Mutter zur Auskunft gegenüber dem ehemals rechtlichen Vater (rechtliche Vaterschaft war anerkannt worden und später durch Vaterschaftsanfechtung beseitigt worden) verurteilt worden, weil sie den ehemals rechtlichen Vater des nichtehelichen Kindes zur Anerkennung der Vaterschaft veranlasst hatte. Bei der anderen Entscheidung des BGH (BGH, FamRZ 2013, S. 939) wurde eine Auskunftspflicht der Mutter bestätigt, wenn eine durch Ehe begründete rechtliche Vaterschaft später erfolgreich angefochten worden ist. In diesen Fällen besteht eine Sonderverbindung der beteiligten Personen, die eine Auskunftspflicht rechtfertigt. Neben dieser Bestätigung der Rechtsprechung des BGH hat der BGH weiterhin darauf verweisen, dass die Auskunftserteilung der Kindsmutter zumutbar sein muss. In Bezug auf die Nennung des möglichen Erzeugers darf die Pflicht zur Erteilung der Auskunft nicht in den unantastbaren Bereich privater Lebensgestaltung eingreifen und das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Mutter nach Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG verletzen (so schon BGH, FamRZ 2012, S. 200, BGH, FamRZ 2013, S. 939). Da bereits die Vaterschaftsanfechtung im Ausgangsfall durchgeführt war, besteht jedoch für ein Geheimhaltungsinteresse der Mutter an der außerehelichen Zeugung kein Raum mehr. Trotzdem muss auch die Benennung der konkreten Person/Namen des Erzeugers der Mutter zumutbar sein. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Mutter kann insoweit das Informationsinteresse des Scheinvaters überwiegen. Es reicht jedoch nicht aus, wenn die Mutter lediglich mitteilt, den Erzeuger nicht oder nicht mehr zu kennen, da auch der Mutter diesbezüglich Ermittlungen zumutbar sind. Die Mutter muss ihr zumutbare Anstrengungen nachweisen, um den Erzeuger ausfindig zu machen. Die Mutter macht im vorliegenden Fall nicht geltend, in ihrem allgemeinen Persönlichkeitsrecht durch eine Auskunft verletzt zu werden, mit der Folge, dass die Mutter allein mit ihrem Hinweis den Namen des Erzeugers nicht zu kennen nicht durchdringen kann. Die Darlegungs- und Beweislast für das angebliche Nichtkennen des Erzeugers trägt die Mutter, und zwar nicht nur für ihre Unkenntnis, sondern auch dafür, dass sie die ihr zumutbaren Anstrengungen unternommen hat, um die Auskunft erteilen zu können. Im zu entscheidenden Fall hat die Mutter dies nicht beweisen können, sodass auch gegen sie mit Zwangsgeld/Zwangshaft vollstreckt werden kann. Andernfalls wäre der Auskunftsanspruch „wertlos“. Der BGH hat somit sehr strenge Voraussetzungen für das Verneinen einer Auskunftspflicht gesetzt, letztendlich auf die Grundgesetzebene des Persönlichkeitsrechts verschoben, mit der Folge, dass sich Mütter in den meisten Fällen nicht mehr dahingehend einlassen können, den Erzeuger nicht (mehr) zu kennen. Natürlich kann die Kindsmutter auch in einem Vollstreckungsverfahren den Eingriff in ihr Persönlichkeitsrecht erneut/noch einwenden und die Unverhältnismäßigkeit darstellen und behaupten (BGH, FamRZ 2008, S. 1751), wird jedoch immer schwieriger.
Das gleiche Thema greift die Entscheidung des BVerfG auf, in welchem eine Mutter im Rahmen einer Verfassungsbeschwerde, verbunden mit einem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung, eine Entscheidung eines Oberlandesgerichts angegriffen hat, bei der sie zur Auskunft des Erzeugers verurteilt worden ist. Die Mutter sieht sich durch die Entscheidung in ihrem allgemeinen Persönlichkeitsrecht verletzt. Sie macht im Wesentlichen geltend, die Verpflichtung zur Auskunft über sexuelle Beziehungen aus einer Zeit in der sie mit dem rechtlichen Vater noch nicht verheiratet gewesen sei und nur in einer „lockeren“ Beziehung gelebt habe (später ihn jedoch geheiratet hat, weshalb dann der Ehemann bezüglich des in der Ehe geborene Kindes der rechtliche Vater geworden ist) stelle einen unzulässigen Eingriff in ihr Persönlichkeitsrecht dar. In Abwägung mit dem Informationsinteresse des Ex-Ehemannes überwiege ihr Persönlichkeitsrecht. Zudem ginge es diesem nur darum, sie bloßzustellen. Regressansprüche gegen den leiblichen Vater seien ohnehin verjährt und verwirkt. Sie will in einer einstweiligen Anordnung die Vollstreckung des Auskunftsanspruches aussetzen lassen. Das BVerfG führt dazu folgendes aus:
Da im Ausgangsfall des OLG möglicherweise die Abwägung zwischen Persönlichkeitsrecht und Auskunftsrecht nicht ausreichend vorgenommen wurde und die Verfassungsbeschwerde nicht offensichtlich unbegründet ist, führt dies dazu, dass die einstweilige Anordnung zu erlassen ist. Würde die einstweilige Anordnung nicht erlassen, wäre die Mutter auskunftsverpflichtet, gegen sie könnte vollstreckt werden mit Zwangsgeld oder Zwangshaft. Hätte die Verfassungsbeschwerde dann später Erfolg, würde die Mutter eine Grundrechtsverletzung erleiden, wenn die Preisgabe intimer Informationen erzwungen worden wären. Dass durch die Verfassungsbeschwerde die Auskunft bei Bestätigung der OLG-Entscheidung dann zeitlich später zu erteilen ist, ist nach Auffassung des BVerfG für den Vater hinnehmbar (Interessenabwägung).
Fazit:
An den beiden Entscheidungen der oberen Gerichte erkennt man, wie schwer man sich letztendlich mit einem solchen Auskunftsanspruch tut. Der Auskunftsanspruch wird von der Rechtsprechung grundsätzlich bejaht, im Einzelfall kommt es jedoch immer entscheidend auf die Interessenabwägung und insbesondere auf die Nachhaltigkeit des Eingriffs in das Persönlichkeitsrecht an. Wann und wie gelingt der Mutter diesen Eingriff in das Persönlichkeitsrecht über das Auskunftsrecht des Vaters zu stellen? Was ist, wenn die erteilte Auskunft zum Erzeuger falsch ist, dies aber die Beteiligten zum Zeitpunkt der Auskunftserteilung nicht wissen? Eine offensichtlich unrichtige Auskunft oder eine Auskunft, die sich später als unrichtig erweist, stellt jedenfalls keine Erfüllung dar. Welche Anstrengungen und Erkundigungen muss die Kindsmutter unternehmen, um tatsächlich nachzuweisen, dass ihr der Erzeuger nicht bekannt ist und damit ein Auskunftsanspruch wegen Unmöglichkeit (§ 275 BGB) ausgeschlossen ist? Weder der BGH noch das BVerfG äußert sich zu diesen Fragen näher und überlässt dies letztendlich einer Einzelfallrechtsprechung und einer tatrichterlichen Würdigung der Instanzgerichte. Durch die Entscheidungen wird jedoch klar, dass auf der einen Seite die Kindsmutter schon erheblich vortragen und nachweisen muss, wenn sie sich ihrer grundsätzlichen Auskunftsverpflichtung „entziehen“ will, auf der anderen Seite jedoch noch Überprüfungsmöglichkeiten hat betreffend der Verletzung ihres Persönlichkeitsrechtes und der nicht ausreichenden Würdigung dessen durch die Instanzgerichte, entweder durch Verfassungsbeschwerde oder sogar als Einwand noch im Vollstreckungsverfahren (BGH, NJW 2005, S. 367 ff.). Im vorliegenden Fall des BGH hat diesem die Angabe der Mutter nicht ausgereicht, dass es sich um einen einmaligen Geschlechtsverkehr mit einem Kurgast gehandelt habe und sie daher den Namen nicht mehr wisse. Hier hätte die Mutter des Kindes weitaus mehr vortragen müssen, um der Auskunftsverpflichtung zu entgehen, bzw. einer Zwangsvollstreckung hieraus. Ob die beteiligte Mutter im BGH-Fall ebenso wie im Fall des BVerfG noch vor dieses zieht, bleibt abzuwarten, ebenso, wie das BVerfG hoffentlich ausführlich die anhängige Verfassungsbeschwerde zu diesem Fragenkomplex bearbeitet, d.h. Kriterien zur Abwägung zwischen Persönlichkeitsrecht und Informationsrecht allen Betroffenen an die Hand gibt.